Wirtschaft: Der schwache Euro soll Europa retten

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Auch 2014 schrumpften Europas Top-Konzerne, während die US-Rivalen wuchsen. Heuer soll der schwache Euro die Trendwende bringen, so die Hoffnung. Über die Nebenwirkungen wird lieber geschwiegen.

Wien. Wer keine prallvolle Reisekasse hat, muss den Amerikaurlaub wohl verschieben. In den vergangenen zwölf Monaten hat der Euro fast ein Viertel seines Wertes gegenüber dem US-Dollar verloren – und den Trip in die USA entsprechend verteuert. Was Urlauber ärgert, ist derzeit die Hoffnung aller Politiker und Unternehmensführer auf die Rückkehr des Wirtschaftswachstums in Europa.

Denn mit dem Verfall des Euro werden europäische Exporte in die USA entsprechend billiger – die Unternehmen erwarten also zurecht einen Wachstumsschub. Erste Vorboten sind an den hiesigen Börsen schon zu beobachten: Vom deutschen Pharmakonzern Bayer bis zum französischen Kosmetikriesen L'Oréal schrauben Unternehmen am Kontinent reihum ihre Gewinnerwartungen nach oben. Sie hatten gute Nachrichten auch bitter nötig. Im Vorjahr mussten sie einmal mehr die amerikanische Konkurrenz an sich vorbeiziehen lassen, wie eine Ernst-&-Young-Studie über die umsatzstärksten Unternehmen aus Europa und den USA zeigt.

„Süßes Gift“ für die Firmen

Europas 300 Top-Unternehmen (darunter OMV, Voestalpine und Andritz) haben demnach 0,5 Prozent weniger Umsatz (auf 7,1 Billionen Euro) und vier Prozent weniger Gewinn (auf 624 Mrd. Euro) erwirtschaftet. Die US-Konkurrenz konnte hingegen den Umsatz um vier Prozent (auf 8,2 Bill. Euro) und den Gewinn um ein Prozent auf 952 Mrd. Euro steigern.

2015 werde sich das Blatt wenden, so die Erwartung vieler Ökonomen. Vor allem exportorientierte Unternehmen sollten vom Preissturz des Euro profitieren können. Zu verdanken haben sie den Rückenwind vor allem der EZB. Ihre Ankündigung, eine Billion Euro zu „drucken“, um Anleihen aus dem Euroraum aufzukaufen, haben die niedrigen Zinsen in Europa bis auf Weiteres einzementiert. Auch der schwache Euro dürfte so noch eine Weile „gesichert“ sein, erwartet die Deutsche Bank. Bis Jahresende werde ein Euro schon um einen US-Dollar zu haben sein, 2017 bereits um 87 Dollar-Cents.

Aber kann die schwache Währung die Eurozone tatsächlich aus der wirtschaftlichen Malaise führen? Etliche Gründe sprechen dagegen: Erstens lässt sich der Währungsverfall nicht eins zu eins auf günstigere Exportpreise umlegen. So verbilligten sich europäische Waren in den USA im vergangenen Jahr etwa nur um 2,7 Prozent, obwohl die Währung fast zehn Mal so stark gefallen ist. Und auch innerhalb der Eurozone sind Gewinner und Verlierer des erhofften Export-Schubs ungleich verteilt. Deutschland und Frankreich sorgten in den vergangenen fünf Jahren gemeinsam etwa für 45 Prozent aller Exporte. Die Krisenländer Portugal, Irland, Griechenland und Spanien kommen zusammen nicht einmal auf die Hälfte davon.

Kurzfristig hilft der schwache Euro also – aber nicht unbedingt jenen in Europa, die es am dringendsten brauchen würden. Mittelfristig sei der Währungsverfall allerdings nur „süßes Gift“ für die Unternehmen, warnen Ökonomen. Der Euroverfall beschert ihnen zwar volle Auftragsbücher, kann sie aber gleichzeitig dazu verleiten, sich auszuruhen – und letztlich geschwächt aus dem künstlichen Zwischenhoch zu gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2015)

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