Schweizer Finanzministerin: "Steuerwettbewerb senkt die Kosten"

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Konkurrenz der Gebietskörperschaften bringe Effizienz, so die Schweizer Finanzministerin Widmer-Schlumpf. Mit der Vergangenheit der Schwarzgeldkonten will man abschließen.

Die Presse: Laut World Economic Forum liegt die Schweiz bei der Steuerbelastung auf Platz 37 von 148 Ländern. Österreich liegt auf Platz 122. Warum ist die Schweiz so viel genügsamer?

Eveline Widmer-Schlumpf: Wir haben ein Steuersystem, das sehr gut funktioniert. Wir haben direkte Steuern über alle drei Ebenen – Gemeinde, Kanton und Bund. Und wir haben auch die Aufgabenzuteilung – anders als in anderen Ländern – möglichst nahe bei den Bürgern. So ist etwa die Bildung und die Sicherheit kantonal geregelt. Dadurch haben wir einen Wettbewerb zwischen den Kantonen in Bezug auf ihr Leistungsangebot und die Steuern, die dafür notwendig sind. Und das führt dazu, dass sich alle bei den Kosten nach unten orientieren.

Wenn eine Gebietskörperschaft selbst dafür verantwortlich ist, das Geld einzuheben, das sie braucht, wird sie also sparsamer.

Ja. Vor allem, weil sie selbst in Konkurrenz mit den anderen Gebietskörperschaften steht. Bei uns gibt es 26 Kantone, und die wollen ihren Einwohnern möglichst gute Bedingungen bieten. Einerseits in Bezug auf die Leistungen und andererseits auf die steuerliche Belastung.

Kritiker sehen beim Wort Steuerwettbewerb immer ein Lizitieren nach unten. Ist das falsch?

Ich bin eine Verfechterin dieses Steuersystems mit der Funktions- und Finanzautonomie der Kantone. Aber es braucht auch ein Korrektiv. Dafür haben wir den Finanzausgleich. Denn unabhängig davon, wie hoch die wirklichen Steuern sind, wird jene Zahl errechnet, die jeder Kanton an Steuern einheben könnte. Und von dieser muss er nachher seine Ausgleichsbeträge an die anderen Kantone zahlen. Ein Kanton kann also nicht zulasten von anderen Steuerwettbewerb machen.

Österreich hat gerade seine Verhandlungen zum Finanzausgleich gestartet. Sollten wir uns die Schweiz als Vorbild nehmen?

Man kann zumindest einmal schauen, wie so ein föderalistisches System funktionieren kann. Allerdings kann man nicht ein System einfach in ein anderes Land kopieren. Bei uns ist das Steuersystem auf der untersten Ebene – den Gemeinden – entstanden. Wenn man den umgekehrten Weg macht, muss man sich zuerst einmal Gedanken machen, welche Funktionen Länder eigentlich eigenverantwortlich übernehmen sollen.

Sie haben gerade erklärt, wie verhindert wird, dass der Steuerwettbewerb in der Schweiz unfair wird.

Er kann schon vorübergehend unfair sein. Dass ist auch die Empfindung bei gewissen Kantonen, dass der Nachbarkanton einen unfairen Steuerwettbewerb macht. Nach ein paar Jahren sieht man aber, dass der Nachbar seine Steuern erhöhen muss, um seine Verpflichtungen im Finanzausgleich zu erfüllen. Die Politik darf bei solchen Fragen nicht so kurzfristig sein.

Die Diskussion über unfairen Steuerwettbewerb gibt es aber auch auf europäischer Ebene. Dabei geht es vor allem um Steuersparkonstrukte für große Konzerne, bei denen die Schweiz auch vorkommt. Gibt es hier Handlungsbedarf?

Wir sind in der Schweiz gerade dabei, eine ganz große Unternehmenssteuerreform durchzuführen. Wir wollen damit die Standards der OECD übernehmen und etwa die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Gewinnen beenden. So sollen solche Konstrukte erschwert werden. Alle Schlupflöcher kann man jedoch nie verhindern.

Kritik an der Schweiz gab es früher vor allem wegen Schwarzgeldkonten von Privaten. 2013 hat die Schweiz mit Österreich daher ein Abkommen unterzeichnet, das die Besteuerung dieser Konten ermöglicht. Die heimische Regierung hat sich eine Mrd. erwartet, geworden sind es knapp 800 Mio. Waren die Erwartungen zu groß?

Wahrscheinlich haben sich auch mehr Personen offen deklariert und ihre Konten gegenüber dem österreichischen Fiskus offengelegt. Dadurch hat es ja dann auch Mehreinnahmen gegeben.

In Österreich gibt es aber auch die Vermutung, dass Personen ihr Geld noch vor in Kraft treten des Abkommens abgezogen haben – die sogenannten Abschleicher. Österreich wollte Informationen über diese, das wurde von der Schweiz verweigert. Warum?

Informationen über konkrete Einzelpersonen wurden schon weitergeleitet. Wir konnten aber keine Gruppenersuchen beantworten, bei denen es nur eine grobe Definition über die Tatbestände gab. Nach Schweizer Recht können wir solche Ansuchen erst seit 1. Februar 2013 beantworten, weil es erst seither ein Gesetz gibt.

Ist für die Schweiz das Thema nun abgehandelt, oder gibt es noch offene Punkte?

Mit Österreich und Deutschland gibt es die nicht mehr. Mit Italien und Frankreich sind wir gerade dabei es zu lösen. Wir wollen die Vergangenheit hinter uns bringen.

Hatten die Schweiz und die Schweizer Banken hier früher ein unfaires Geschäftsmodell?

Bis 2008 wurde es akzeptiert, wenn ausländische Kunden ihre Steuern nicht bezahlt haben. Das war rechtlich aber auch politisch akzeptiert. Die Philosophie war aber nicht nur in der Schweiz, sondern auch in unseren Nachbarländern vor zehn Jahren eine andere. Das hat sich durch die internationale Diskussion geändert. Da haben wir auch sofort reagiert. Und das ist auch richtig.

Ein anderes Thema für viele Österreicher ist der Frankenkurs, da es viele Franken-Kreditnehmer gibt. Sie meinten jüngst, 1,10 Franken je Euro wäre für die Schweiz gut verkraftbar. Ist das der inoffizielle Zielwert?

Das war eine generelle Aussage darüber, welcher Wert für unseren Tourismus und die Exportwirtschaft vertretbar wäre. Den Zielwert legt die Schweizer Nationalbank fest, die völlig unabhängig ist. Und da soll sich die Politik nicht einmischen.

Hat die SNB einen Zielwert?

Die SNB hat immer gesagt, dass sie mit Interventionen dafür sorgen will, dass die Wirtschaft nicht zu stark ins Trudeln kommt. Und das hat sie bis jetzt auch gemacht.

ZUR PERSON

Eveline Widmer-Schlumpf ist seit 2010 Finanzministerin der Schweiz. Sie ist Mitglied der Bürgerlich-Demokratischen Partei und war zuvor Justiz- und Innenministerin des Landes. Die 59-jährige Juristin hat eine rund 15-jährige Berufserfahrung als Anwältin und ist seit den späten 1980er-Jahren politisch aktiv.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2015)

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