Hat der Anleihencrash schon begonnen?

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Zuletzt sind die Renditen auf dem Sekundärmarkt hochgeschossen. Eine Trendwende ist das aber noch nicht.

So etwas sieht man an den eher ruhigen Anleihenmärkten nicht oft: Binnen zehn Tagen stürzte der Kurs des deutschen Bund-Futures von über 160 auf bis zu 151,44 ab, ehe er sich wieder ein wenig erfangen konnte. Am Donnerstag dieser Woche gab es binnen weniger Stunden den größten jemals registrierten Tageskurssturz. Die Rendite deutscher Staatsanleihen, zuletzt nahezu null, schoss damit auf den höchsten Wert seit vier Monaten.

Sind das schon die ersten Anzeichen des Platzens der Anleihenblase? Wünschen sollten wir uns das nicht: Die Anleihenblase ist die mit Abstand größte, die auf dem Finanzmarkt jemals aufgeblasen wurde. Dass es eine Blase ist, ist evident. Man sieht das an vollkommen absurden Bewertungen wie etwa einem Bund-Future-Kurs von derzeit knapp 155. Entweicht hier die Luft zu schnell, dann gibt es wohl einen Finanzcrash, gegen den die Lehman-Geschichte 2008 wie ein Kindergeburtstag aussehen dürfte.

Das dürfte aber, zumindest vorläufig, nicht passieren. Derzeit sieht es noch so aus, als wäre der Bund-Absturz rein spekulativ ausgelöst worden. Begonnen hat es ja mit der Empfehlung von Bill Gross, deutsche Anleihen zu shorten. So wie es aussieht, dürfte eine Menge US-Großanleger auf diesen Zug aufgesprungen sein und damit die Anleihenkurse stark unter Druck gesetzt haben.

Ist es jetzt noch sinnvoll, als Privatanleger auf diesen Zug aufzuspringen, was ja mit einer Reihe von Derivaten, beispielsweise mit CFDs, möglich ist? Ich würde da sehr vorsichtig sein. Die Shorter haben es nämlich mit einem mächtigen Gegner zu tun: Die EZB kann derzeit vieles brauchen, aber sicher nicht steigende Zinsen. Es ist also anzunehmen, dass die Euronotenbank, die den Markt ohnehin schon mit Liquidität überschwemmt, sich einer Spekulationswelle gegen Euroanleihen mit Macht entgegenstellt.

Die jüngst ins Spiel gebrachte Drosselung der laufenden Anleihenkäufe durch die Euronotenbank wird unter dieser Prämisse wohl kein Thema sein. Die EZB kauft ja derzeit auf dem Sekundärmarkt für rund 60 Mrd. Euro pro Monat Anleihen auf. Das trocknet den Sekundärmarkt aus, was wiederum Aufwärtsdruck auf die Anleihenkurse erzeugt.

So gesehen dürfte das Potenzial nach unten vorerst einmal begrenzt sein. Das Problem der Anleihenblase ist dadurch natürlich nicht beseitigt, sondern nur aufgeschoben. Da rollt auf den Finanzmarkt noch ein gewaltiges Problem zu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2015)

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