Griechenland und EU: Eine "Reihe von Annäherungen"

Gegenspieler: Yanis Varoufakis und Jeroen Dijsselbloem.
Gegenspieler: Yanis Varoufakis und Jeroen Dijsselbloem.APA/EPA/STEPHANIE LECOCQ
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EU-Wirtschaftskommisar Moscovici sieht durchaus "Fortschritte". Die Liquiditätslage werde immer dramatischer, drängt Eurogruppenchef Dijsselbloem.

Die Eurogruppe hofft auf eine baldige Einigung mit Griechenland. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem erklärte am Montagabend nach der Sitzung der Finanzminister der Währungsunion in Brüssel, "hoffentlich kommt die Einigung rechtzeitig, bevor die Zeit ausläuft und das Geld aus ist". Über ein allfälliges folgendes drittes Programm könne man derzeit nicht reden.

Erst gelte es, das laufende Hilfsprogramm, das mit der Verlängerung Ende Juni ausläuft, positiv zu beenden. Dann könne über eine weiterlaufende Unterstützung für Athen gesprochen werden.

"Keine Liquiditäsengpässe"

Derzeit hoffe er, dass es "keine Liquiditätsengpässe" für Griechenland gebe. Aber "die Zeit verstreicht, die Liquiditätslage wird immer problematischer. Auch für die internen Verpflichtungen. Deshalb ist es notwendig, möglichst bald eine Einigung herbeizuführen."

Über eine Volksbefragung in Athen wollte Dijsselbloem nicht eingehen. "Das ist nationalen Politikern überlassen." Es handle sich ausschließlich um eine Entscheidung der griechischen Regierung.

Jedenfalls sollte es mit Griechenland eine Verständigung in den "noch verbleibenden Wochen" bis Ende Juni geben. "Dann werden wir Berechnungen anstellen und fragen, welche Probleme für die Zeit danach übrig bleiben".

Moscovici sieht "Annhäerungen"

EU-Wirtschafts- und Steuerkommissar Pierre Moscovici sieht bei Griechenland eine "Reihe von Annäherungen". Nach der Sitzung sagte Moscovici, es habe "durchaus Fortschritte" gegeben, die man "nicht unterschätzen" dürfe.

Er könne nicht alle Themen anführen. Doch seien konstruktive Gespräche über tief greifende Reformen bei der Mehrwertsteuer geführt worden. Die griechischen Behörden hätten auch ihre Absicht bekundet, ein Gesetz zur Schaffung einer unabhängigen Agentur für die Verwaltung von Steuereinkünften zu schaffen.

Allerdings gebe es noch eine große Kluft zu überbrücken, pflichtete Moscovici Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem bei. Dazu zähle beispielsweise das Rentensystem, aber auch der Arbeitsmarkt.

Reform-Liste fehlt immer noch

Die linksgeführte Regierung in Athen verhandelt seit Monaten mit den Euro-Ländern mehr oder weniger ergebnislos über die weitere finanzielle Unterstützung. Voraussetzung ist eine Liste mit belastbaren Reformen, die bisher nicht vorliegt. Das Reformpaket ist Voraussetzung für die Auszahlung von 7,2 Milliarden Euro Hilfsgeldern an das Krisenland.

Wie der griechische Rundfunk berichtet, hat Athen die für Dienstag anstehende Schuldenrate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) überwiesen. Es handelt sich um eine Tilgungszahlung an den IWF in Höhe von gut 756 Millionen Euro.

Keine Fortschritte bei Inhalten

Eine definitive Einigung der Gläubiger mit Griechenland ist offenbar aber weiter nicht in Reichweite. Selbst Finanzminister Yanis Varoufakis rechnete vor seiner Abreise nach Brüssel allerdings nicht mit einer Einigung noch am Montag: "Es wird (heute) schwierig sein", sagte er. Das (die Einigung) könnte "in den kommenden Tagen" folgen.

Zwar seien die neuen Unterhändler aus Athen "menschlich angenehmer" als vormals die Mannschaft um den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, sagte einer der Unterhändler der Gläubiger-Troika der "Welt" (Montag). "Inhaltlich geht es dennoch nicht voran."

Troika plant drei Negativ-Szenarien

Die Institutionen planten daher inzwischen mit einem positiven und drei negativen Szenarien, hieß es laut "Welt" aus Verhandlungskreisen. Nur das positive Szenario sehe vor, dass Griechenland all seinen Verpflichtungen nachkomme, so dass Athen bis zum Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms Geld bekomme. Ein anderes Szenario geht dem Bericht zufolge davon aus, dass eine reformwillige Regierung bei dem Finanzminister-Treffen am Montag tatsächlich substanzielle Vorschläge präsentiert, die Griechen dabei allerdings ihre finanziellen Reserven überschätzen.

Das zweite Negativ-Szenario geht laut "Welt" davon aus, dass halbherzige Vorschläge der Griechen nicht akzeptiert würden. Irgendwann im Laufe der nächsten Wochen werde Griechenland dann die Schulden beim IWF und der EZB nicht mehr tilgen können. Falls sich die griechische Regierung im weiteren Verlauf der Krise dann gutwillig zeige, mit den Europäern rasch Reformvereinbarungen abschließe und sich danach an die Tilgung ihrer Schulden mache, ließe sich das Ganze noch in den Griff bekommen, heißt es in dem Szenario der Troika-Experten.

In Szenario drei geht die Troika dem Bericht zufolge von einer völlig unkooperativen griechischen Regierung aus, die ihre Angestellten und Pensionisten in staatlichen Schuldscheinen, sogenannten IOUs, bezahle und damit die Einführung einer Parallelwährung begründe.

Die Griechen sagen selbst, dass ihre Schuldenlast nicht tragbar sei. Im Wahlkampf war von einem Schuldenschnitt die Rede gewesen. Inzwischen heißt es, die Regierung setze das Thema derzeit nicht auf die Tagesordnung. Die EU-Kommission erwartet für das laufende Jahr eine Rekord-Schuldenstandsquote von 180 Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind 10 Punkte mehr als vorher erwartet. Erlaubt sind eigentlich nur 60 Prozent.

>> Artikel in der "Welt"

(APA/dpa/AFP)

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