Osteuropa: Russland reißt Nachbarn nach unten

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Die russische Rezession habe stärkere Auswirkungen auf die Nachbarstaaten als erwartet, so die Osteuropabank EBRD. Sie will daher etwa in der Ukraine das Bankensystem stärken.

Tiflis. Auf den ersten Blick wirkt es eigentlich paradox. So vermeldet die Osteuropabank EBRD anlässlich ihrer Jahrestagung im georgischen Tiflis eine Verbesserung der Lage in Russland. Statt einer Rezession von minus 4,8 Prozent, wie zu Jahresanfang prognostiziert, werde die russische Wirtschaft heuer nur um 4,5 Prozent schrumpfen. Grund dafür sind der zuletzt wieder leicht gestiegene Ölpreis und die Aussicht auf eine Entspannung bei den Sanktionen, die vor allem ausländische Investoren zuletzt hoffnungsfroher stimmte.

Für die Nachbarstaaten Russlands gibt es aber dennoch schlechte Nachrichten. Denn die Auswirkungen der russischen Krise auf diese Länder fallen wesentlich stärker aus, als bisher erwartet. „Besonders betroffen sind die Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Armenien und Georgien“, sagt EBRD-Direktorin Piroska Nagy am Rande der Veranstaltung zur „Presse“. Aber auch die baltischen Staaten und Finnland würden aufgrund ihrer engen Verbindungen zu Russland massiv beeinflusst und zum Teil selbst in die Rezession schlittern.

Wie stark die russische Krise auch auf die Länder Mittelosteuropas Einfluss hat, für die es weiterhin hohe Wachstumsprognosen gibt wie etwa 3,4 Prozent in Polen, könne jedoch nur schwer gesagt werden. Diese Länder seien nämlich auch sehr stark von der wirtschaftlichen Entwicklung in der Eurozone und vor allem Deutschland abhängig. Und bei Österreichs nördlichem Nachbarn war das Wachstum im ersten Quartal mit 0,3 Prozent auch unerwartet schwach.

Zehn Prozent weniger Lohn

In Russland selbst erkennt die EBRD Anzeichen, die auf eine tief greifende und längerfristige wirtschaftliche Abkühlung hindeuten. „Sowohl der private Konsum als auch die Reallöhne sind bereits um zehn Prozent gesunken“, sagt Nagy. Und auch die Währungsreserven schmelzen im Kampf gegen die Rubel-Schwäche dahin – sie sanken seit Anfang 2014 von 510 auf zuletzt 353 Mrd. US-Dollar. Bis Ende 2016 muss Russland jedoch auch 180 Mrd. Dollar an Schulden zurückzahlen. „Das ist eine ganze Menge Geld“, so Nagy.

Noch drastischer ist die Situation nach wie vor nur in der Ukraine. Dort erwartet die EBRD für heuer sogar einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 7,5 Prozent. Eine Situation, die vor allem die Banken weiter unter Druck bringen kann, weil die Zahl der notleidenden Kredite weiter anwächst. Die EBRD wolle daher alles tun, um die „finanzielle Basis der Banken in der Ukraine zu stärken“. Davon dürfte auch heuer noch die heimische Raiffeisen International profitieren. Wie berichtet, verhandelt sie bereits seit Längerem mit der EBRD über einen Einstieg bei der wirtschaftlich schwer angeschlagenen ukrainischen Tochter.

Kreditproblem auf dem Balkan

Notleidende Kredite seien weiterhin aber auch in anderen Ländern Osteuropas – etwa auf dem Balkan– ein Problem, sagt Nagy. Hier müssten viele Banken verstärkt an einem Abbau arbeiten, damit eine für den Wiederaufschwung notwendige Kreditvergabe wieder möglich wird. „Es stimmt, der Bestand an diesen Krediten ist nach wie vor hoch“, meint dazu Carlo Vivaldi, Osteuropa-Chef von UniCredit, der größten westeuropäischen Bank in der Region. „Allerdings sehen wir langsam eine Entwicklung in die richtige Richtung.“

So gebe es in den Ländern – etwa Slowenien – zunehmend vom Staat organisierte Fonds, die den Banken die toxischen Kreditportfolien aus den Büchern nehmen. UniCredit rechnet daher in allen Ländern Osteuropas im kommenden Jahr wieder mit einem verstärkten Kreditwachstum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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