Deutschland, Land der Messen

(c) EPA (Norbert Foersterling)
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In keinem Land der Welt gibt es so viele Messen wie in Deutschland. An die 180 sind es. Die Branche erwirtschaftet 25 Milliarden Euro jährlich und trotzt erfolgreich der virtuellen Konkurrenz im Internet.

Berlin. In Buchform wäre die Datenbank der Messen, die jährlich in Deutschland stattfinden, ein recht dicker Brocken. Freilich, da gibt es die Platzhirsche wie die Buchmessen in Leipzig und Frankfurt oder die Informationstechnikmesse Cebit in Hannover, aber es sind auch die vielen kleinen und regionalen Messen, die aus Deutschland das Messeland Nummer eins machen. Da finden Messen eigens für Fetischbedarf statt, für Modelleisenbahnen, für Fossilien oder Reptilien. Selbst die Country- und Westernszene hat hier ihre eigene Messe, so auch die Shisha-Pfeifen, und die Whiskeymesse erscheint gegen die Anästhesiologie- oder Chirurgie-Messe sogar noch konventionell. Man könnte es auch so sagen: Es gibt keine Messe, die es nicht gibt. 160 bis 180 Ausstellungen finden jährlich in Deutschland statt, davon gelten zwei Drittel als Leitmessen der jeweiligen Branche. Die Messen, die noch im Mittelalter Kaufleute von weit her auf den Marktplatz der traditionellen Messestädte zusammengebracht haben, überdauern auch das digitale Zeitalter.

Dabei wurde am Standort Deutschland immer weiter gefeilt und gebaut, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg. War die Industrie des Landes bereits im 19. Jahrhundert exportorientiert, wurden in der Nachkriegszeit dezidiert auch ausländische Aussteller eingeladen. „Das war keine Selbstverständlichkeit“, so Harald Kötter, Sprecher des Interessenverbandes Ausstellung- und Messe-Ausschuss (Auma). Diese Internationalität hat sich das Land beibehalten – im Durchschnitt sind 55 Prozent der Aussteller aus dem Ausland –, aber auch die interne Konkurrenz zwischen den Messestädten habe sich positiv auf den Standort ausgewirkt. Mittlerweile pumpen die Messen 25Milliarden Euro in die deutsche Wirtschaft – und darin ist noch nicht einmal der Umsatz enthalten, den die Unternehmer auf den Messen lukrieren.

Messen trotzen der virtuellen Welt

Das Zeitalter kann also noch so virtuell werden: Bei der Suche nach Kunden oder Unternehmen ist der persönliche Kontakt weiterhin der wichtigste Ausgangspunkt. Das Produkt sehen und Kommunikation mit dem Hersteller bleiben laut Kötter die Hauptgründe für die Messeteilnahme. Was im Umkehrschluss aber nicht bedeutet, dass die Messen den technologischen Fortschritt ignorieren können. Die Hannoveraner etwa haben eine eigene App kreiert, die bereits vor der Messe potenzielle Kunden und Verkäufer zusammenbringt. „Die Begegnungsformate haben zugenommen“, sagt Wolfram von Fritsch, Vorstandsvorsitzender der Messe in Hannover. Auch das Besuchsverhalten habe sich verändert, viele reisen nur für einen Tag an und wollen dann so viel wie möglich unterbringen. Hannover gehört mit durchschnittlich 2,5 Millionen Besuchern jährlich zu den bedeutendsten Messestädten in Deutschland, und auch die regelmäßige Stippvisite von Politikern mache den Standort aus, so von Fritsch. Erst Mitte April sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und der indische Premier Narendra Modi durch die Industriemesse (mit nicht weniger als 6500 Ausstellern) spaziert.

Die Anwesenheit Modis hat auch einem Trend entsprochen. Immer mehr Aussteller aus asiatischen Ländern – insbesondere China – füllen die Messen in Deutschland. Mittlerweile machen die Chinesen die größte ausländische Gruppe aus, dicht gefolgt von den Italienern. Und die Produkte, die die asiatischen Unternehmer mitbringen, sind so vielfältig wie die Messen selbst. Chinesische Firmen waren im vergangenen Jahr auf 120 deutschen Messen vertreten; man kann also sagen: auf fast allen. Pragmatisch sieht man in Deutschland die Tatsache, dass riesige Messen mittlerweile auch in Asien stattfinden – siehe Schanghai. „Ich sehe keinen Kannibalisierungseffekt“, sagt von Fritsch. „Wenn wir dort ausstellen, merken wir, dass das Interesse in Hannover sogar zunimmt.“ Denn die Leitmesse findet immer noch in Deutschland statt. Und in Asien können die Kontakte schon einmal geknüpft werden.

Bühne für österreichische Betriebe

Für österreichische Firmen ist die Präsenz in Deutschland nicht minder wichtig. Allein bei der Weinmesse Pro-Wein Düsseldorf stellten 376 heimische Unternehmer aus, bei der Bau- und Architekturmesse BAU in München waren es 99. Die Teilnehmer sprechen hier nicht nur Deutschland an, sondern die ganze Welt, sagt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Berlin, Heinz Walter. In seiner Funktion ist Walter auf den Messen im ganzen Land anzutreffen, um den Kontakt mit Ausstellern aus Österreich zu suchen, aber auch Gruppenausstellungen für kleinere Betriebe werden von der Wirtschaftskammer organisiert. Der deutsche Markt ist bekanntermaßen groß: Auf 38 Milliarden Euro belaufen sich etwa die Warenexporte zum nördlichen Nachbarn. Es gibt noch Luft nach oben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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