Singapur: Freie Wirtschaft ohne freie Meinung

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Kein anderes Land ist wirtschaftlich so erfolgreich wie Singapur. Das Land lockt mit niedrigen Steuern und schlanker Bürokratie. Bei Demokratie und Meinungsfreiheit hapert es.

Singapur. Der in Niederösterreich geborene Erich Erber hat von null an ein internationales Unternehmen aufgebaut. Die 1983 gegründete Erber Group, die Zusätze für Futtermittel herstellt, gehört zu denHidden Championsder österreichischen Wirtschaft. Das sind Firmen, die in ihrer Nische zu den Top drei der Welt gehören oder Nummer eins in Europa sind. Firmengründer und Haupteigentümer Erber zog mit seiner Familie von Österreich nach Singapur. Dadurch erspart er sich jährlich mehrere 100.000 Euro an Steuern. „Es sind aber nicht nur steuerliche Gründe, warum ich jetzt in Singapur bin“, sagt Erber. „Es gibt keinen Ort auf der Welt, wo man so viele interessante Leute kennenlernt wie in Singapur.“

Diese Woche flog die Wiener Wirtschaftskammer mit österreichischen Firmen nach Singapur, um mehr über den Erfolg des asiatischen Landes zu erfahren. Singapur feiert im Sommer seine 50-jährige Unabhängigkeit von Malaysia. „Bei der Gründung war Singapur ein Entwicklungsland“, sagt Volker Ammann, Österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Singapur. Heute gehört es mit 5,4 Millionen Einwohnern zu den erfolgreichsten und modernsten Ländern der Welt. In fast allen internationalen Rankings der besten Wirtschaftsstandorte liegt der südostasiatische Staat auf den vordersten Plätzen. Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum beträgt drei bis vier Prozent pro Jahr. Die Arbeitslosigkeit liegt bei niedrigen zwei Prozent. Singapur ist auch der Platz mit der höchsten Millionärsdichte weltweit. Jeder siebte Haushalt besitzt laut einer Untersuchung der Boston Consulting Group mehr als eine Million US-Dollar.

Bei all den wirtschaftlichen Superlativen werden die Schattenseiten gern übersehen. Demokratie ist Singapur keine, Medien werden zensuriert. Verbrechen werden mit Prügelstrafen gesühnt. Dafür sind die Straßen sauber. Unter anderem auch, weil Kaugummis in Singapur verboten sind.

Steuersatz von 0,002 Prozent

Wirtschaftlich könne sich Österreich aber vieles von Singapur abschauen, sagt der Wiener-Wirtschaftskammer-Präsident Walter Ruck – etwa die „unternehmerfreundliche Politik“. „Die Behörden sind extrem flexibel“, sagt der Wirtschaftsdelegierte Ammann. Eine Firmengründung kostet 3000 Euro und dauert wenige Tage. Ein Grund für den Erfolg sind auch die niedrigen Steuern. Offiziell werden Unternehmensgewinne mit 17 Prozent besteuert. Doch bei einem Treffen mit Wiener Firmen versicherten die Vertreter des Landes, dass man auch individuell zugeschnittene Steuerpakete anbiete. Ein Beispiel dafür ist der internationale Bergbaukonzern BHP Billiton, der zwischen 2006 und 2014 in Singapur Gewinne von 5,7 Milliarden US-Dollar verbucht hat – bei einem Steuersatz von 0,002 Prozent.

Auch der Spitzensteuersatz für Topverdiener ist in Singapur mit 22 Prozent niedrig. Zum Vergleich: Mit der ab 2016 geltenden Steuerreform hat die österreichische Regierung den Spitzensteuersatz auf 55 Prozent erhöht. „Das Leben in Singapur ist zwar teuer, dafür ist der Standard sehr hoch“, sagt der in Österreich geborene Christoph Langwallner, Geschäftsführer und Mitgründer der in Singapur ansässigen Biotechnologiefirma NamZ.

Viele österreichische Firmen profitieren vom Aufschwung im Land. 2014 stiegen die österreichischen Exporte nach Singapur um sieben Prozent auf einen Rekordwert von 413 Millionen Euro. Der Wirtschaftsdelegierte geht davon aus, dass 2017 die 500-Millionen-Euro-Marke erreicht werden wird. Die wichtigsten österreichischen Exportgüter sind Maschinen, Spezialgeräte, Metallwaren und Straßengeräte. Die österreichischen Importe aus Singapur sanken dagegen im Vorjahr um 8,4 Prozent auf 103 Millionen Euro. Derzeit haben 85 österreichische Firmen eine Niederlassung in Singapur – etwa der Feuerfesthersteller RHI, Semperit und das Hightechunternehmen Frequentis. Die Wiener Biotechfirma Austrianova verlegte gleich den Konzernsitz nach Südostasien. Ein Grund waren die österreichischen Restriktionen bei der Stammzellenforschung.

„Das Potenzial und die Bedeutung Singapurs innerhalb der Region werden in Österreich unterschätzt“, sagt Ammann. Denn Singapur gilt als Drehscheibe für den Verband südostasiatischer Staaten (Asean), die einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der EU anstreben. Die Asean-Gemeinschaft umfasst zehn Länder mit 600 Millionen Einwohnern und gehört zu den aufstrebendsten Wirtschaftsmärkten weltweit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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