Shenzhen hat höheres pro-Kopf-BIP als Deutschland

Container trucks cross a bridge in front of the Kingkey 100 building in Shenzen
Container trucks cross a bridge in front of the Kingkey 100 building in Shenzen(c) REUTERS (� Bobby Yip / Reuters)
  • Drucken

Banker, High-Tech-Firmen und Forscher haben im ehemaligen Fischerdorf das Ruder übernommen. In diesem Jahr wird die Wirtschaft der chinesischen Stadt Shenzen Hongkong übertrumpfen.

Das kleine Fischerdorf, gelegen gegenüber Hongkong am Perlfluss-Delta, entwickelte sich zu einem Ballungsraum mit Fabriken, mit grassierender Umweltverschmutzung und wurde bevölkert zehn Millionen Migranten aus dem ganzen Land. Nun hat sich jene Stadt abermals neu erfunden, deren Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich die von Hongkong überholen wird. Denn die Schuppen voller Arbeiter, die Spielzeug und Kleidung für alle Welt herstellen, sind weitgehend verschwunden. Der Elektronikbranche, in der Migranten reihenweise Leiterplatten bestücken, droht ein ähnliches Schicksal. An ihre Stelle treten Banker, High-Tech-Unternehmer, Forscher und Hipster.

Shenzhen wies für das erste Quartal einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 7,8 Prozent aus und stellte damit die größten Städte Chinas in den Schatten. Die Zeiten des von Deng Xiaoping ins Leben gerufenen Modells billiger Arbeitskräfte und ausländischer Investments sind vorüber, jetzt wird die Aktivität durch eine Triebkraft angekurbelt, die Ministerpräsident Li Keqiang auf das ganze Land übertragen will: Innovation. Deng machte Shenzhen 1980 zum Testgelände für eine marktbasierte Wirtschaft und hatte damit unverhofften Erfolg.

"Kein Ausbeuterbetrieb mehr"

“Es ist ein wahres Paradies, wenn man sein eigenes Geschäft aufbauen will”, sagt James Wang, ein 38-jähriger Internet-Unternehmer in Kexing Science Park. “Shenzhen ist kein Fischerdorf oder Ausbeuterbetrieb mehr. Es gibt in diesem Park tausende Firmen wie meine.”

Im Stadtbezirk Nanshan, dem technologischen Kernland der Stadt, lag das Pro-Kopf-BIP im vergangenen Jahr bei 308.700 Yuan (43.600 Euro), was mehr als in Japan, Deutschland und Hongkong war. In der Stadt sind viele der erfolgreichsten Unternehmen aus China angesiedelt, darunter der Telekomriese Huawei Technologies Co., das Webportal Tencent Holdings Ltd. sowie der Versicherungs- und Finanzdienstleister Ping An Insurance (Group) Co.

“In China, wo Orte wie der Rostgürtel im Nordosten und die Kohlezechen von Shanxi in eine wirtschaftliche Stagnation fallen, bietet Shenzen einen Hoffnungsschimmer”, sagt Shen Jianguang, Chefökonom für Asien bei Mizuho Securities Asia Ltd. in Hongkong, “das Wachstum beruht auf Innovation, Technologie und dem effizienten Einsatz von Kapital.”

Innovative Unternehmen dominieren

Der Weichenwechsel hin zu Innovation und Finanzen half dabei, die Größe der städtischen Volkswirtschaft in den fünf Jahren bis 2014 auf 1,6 Billionen Yuan beinahe zu verdoppeln. Sollte sich das Tempo fortsetzen, wird Shenzen in diesem Jahr Hongkong übertrumpfen, dessen Wirtschaft langsamer expandiert.

Hinter dem jüngsten Wachstumsschub stehen Firmen wie SZ DJI Technology Co., Hersteller der meistverkauften Phantom-Dronen, und OnePlus, dessen Smartphones Samsung Electronics Co. und Apple Inc. Konkurrenz machen sollen. Carl Pei, der Co-Gründer von OnePlus ist gerade einmal Mitte Zwanzig.

Für die traditionelle Industrie in der Stadt geht es um die Frage, ob sie modernisiert oder ins günstigere Inland zieht. Im Vorort Longhua stellt der größte Arbeitgeber der Stadt, Foxconn Technology Group, am laufenden Bank Geräte für Apple, Microsoft und Sony her. Der ehemals einzige Standort zur Herstellung von iPhones und iPads sah seine Belegschaft von 350.000 vor fünf Jahren auf 200.000 schrumpfen, als das Unternehmen in andere Städte wie Zhengzhou und Chengdu umzog.

Umschulung von Fabrikskräften

Viele Positionen erfordern qualifizierte Arbeitskräfte, wie zur Entwicklung von Robotern. Daher werden Fabrikarbeiter umgeschult zu Softwareingenieuren oder Animatoren. “Auch wenn die Arbeitskosten hoch sind, muss berücksichtigt werden, dass die Arbeitsqualität ebenfalls höher ist”, sagt Sprecher Bruce Liu unter einem Sonnenschirm in einem der Campus-Cafés von Foxconn.
Der größte Unterschied zu früher ist vermutlich das Gefühl von Zugehörigkeit und Erfolg. Junge Frauen zischen im Mini Cooper an Familien im Audi Quattro vorbei, und Immobilienprojekte wie Shuangxi Garden bieten Luxus-Wohnungen für 200.000 Yuan (28.250 Euro) je Quadratmeter an.

Eine Sache hat sich in Shenzhen aber nicht verändert: das Gefühl, dass diese Stadt in China etwas ganz Besonderes ist. Und dass dort die Dinge anders laufen.
“Der größte Vorteil von Shenzhen waren die Regeln - man konnte hier Dinge bewegen, die in anderen Teilen Chinas unmöglich waren”, erklärt Ye Qing, Vorsitzende des Shenzhen Institute of Building Research Co., das umweltfreundliche Gebäude entwirft. “Dieser Vorteil hat sich in Luft aufgelöst. Der neue Vorteil von Shenzhen ist seine Bevölkerung - die jungen und ehrgeizigen Menschen, die ihre Stadt lieben.”

(Bloomberg)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.