Wiener Firmen zieht es nach China

Skyscrapers Shanghai Tower, Shanghai World Financial Center and Jin Mao Tower are seen at the financial district of Pudong in Shanghai
Skyscrapers Shanghai Tower, Shanghai World Financial Center and Jin Mao Tower are seen at the financial district of Pudong in Shanghai(c) REUTERS
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Bis zum Jahr 2020 plant China den Umbau des Gesundheitssystems. Vom Milliardenmarkt wollen auch österreichische Firmen profitieren.

Shanghai. In China gelten Ärzte als besonders korrupt. Vor einer Operation stecken Patienten den Medizinern oft noch Geldscheine zu. Um das zu ändern, hat die chinesische Regierung im April eine Reform des Gesundheitssystems angekündigt. Bis 2020 sollen die jährlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen von zuletzt 400 Milliarden US-Dollar auf eine Billion US-Dollar (895 Milliarden Euro) steigen.

Mit dem Geld sollen die Spitäler modernisiert werden. Zudem soll die Zahl der Ärzte verdoppelt werden. Eine wichtige Neuerung tritt Anfang Juni in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt werden die chinesischen Behörden nicht mehr die Preise für die Medikamente festlegen. Mit der Liberalisierung will China mehr ausländische Pharmafirmen ins Land holen. China verfügt nach den USA über den zweitgrößten Gesundheitsmarkt weltweit. Davon wollen auch österreichische Firmen profitieren. Dazu hat die Wiener Wirtschaftskammer österreichische Gesundheitsfirmen nach Shanghai eingeladen, um Kontakte zu chinesischen Geschäftspartnern zu knüpfen.

China ist für österreichische Firmen der wichtigste Handelspartner in Asien. Ziel ist es, dass der Exportanteil von Wiener Firmen nach Asien bis 2020 von derzeit zehn Prozent auf fünfzehn Prozent steigt.

„China ist schon jetzt unser stabilster Markt“, sagt Heinz Messinger, Hauptgeschäftsfirma von AME, im „Presse“-Gespräch. Die Firma AME hat vier Büros in China und modernisierte bereits 60 Spitäler. „Unsere Kunden sind Spitäler in Zentralchina bis zur mongolischen Grenze.“ AME liefert unter anderem die Ausstattung für Operationssäle und Intensivstationen. „Korruption war in der Vergangenheit ein Thema“, so Messinger. Doch inzwischen gehen die Provinzbehörden rigoros dagegen vor. AME habe laut Messinger Bestechungszahlungen abgelehnt. Schließlich seien Lieferungen nach China über die österreichische Exportförderung abgesichert.

Antikorruptionsregeln

„Dafür gelten strenge Anti-Korruptionsregeln, die auch unsere chinesischen Kunden akzeptieren mussten“, so Messinger. Auch der Wiener Gesundheitskonzern Vamed ist mit China groß im Geschäft. Vamed baut gerade in der Provinzhauptstadt Haiku, die mit zwei Millionen Einwohnern etwa so groß ist wie Wien, ein Spital und wird dieses auch später managen. Ein zweites Projekt ist in der Hauptstadt Peking in Planung.

Neben großen Konzern versuchen auch österreichische Start-ups in China ihr Glück. Die Wiener Siesta Group will in Shanghai Kontakte zu chinesischen Pharmafirmen knüpfen. Gegründet wurde die Firma von Georg Dorffner, Professor an der Wiener Medizin-Universität. Er entwickelte mit Kollegen Analyse-Tools, die Auswirkungen von Medikamenten auf die Gehirnströme während des Schlafes messen. Kunden sind Pharmafirmen, die Schlaftabletten und Anti-Depressiva herstellen. Die Siesta Group ist in Europa Marktführer, weltweit gibt es nur in New York einen größeren Konkurrenten.

Angst, dass die Chinesen die Technologie nach dem Markteintritt kopieren könnten, hat Dorffner nicht: „Unsere Technologie ist so speziell. Es braucht längere Zeit, um sie nachzubauen.“ Auch das Wiener Start-up Apeptico streckt seine Fühler nach China aus. Das Unternehmen entwickelte weltweit das erste Medikament für Patienten, die Wasser in der Lunge haben. Die ersten klinischen Studien waren erfolgreich, in drei bis vier Jahren soll das Medikament auf den Markt kommen. Ziel ist es, damit hunderte Millionen Euro umzusetzen, sagt Bernhard Fischer, Mitbegründer der Firma.

Wie andere österreichische Start-ups hatte Fischer Probleme, in Österreich das für den Geschäftsausbau notwendige Geld aufzutreiben. Die Banken konnten mit dem Geschäftsmodell nichts anfangen. Daher sind an Apeptico nun private Investoren aus der Schweiz und aus Deutschland beteiligt. Nicht viel besser geht es dem Wiener Oberarzt und Universitätsdozenten Hendrik Ankersmit. Er hat mehrere Jahre erfolglos versucht, für die Weiterentwicklung des von ihm gegründeten Start-ups Aposciene in Österreich Geld zu erhalten. Nun sucht er in Shanghai nach Investoren. Aposciene hat ein Medikament entwickelt, das mit Hilfe von weißen Blutkörperchen unter anderem Herzinfarkte, Schlaganfälle und Herzmuskelentzündungen verhindern kann. Die österreichische Medizinaufsicht hat das Mittel als klinisches Prüfprodukt genehmigt. Bevor es auf den Markt gebracht werden kann, sind noch umfassende Studien notwendig. Dafür braucht Aposciene acht Millionen Euro. „Es ist verstörend“, sagt Ankersmit, „dass wir in Österreich nicht das Geld auftreiben können, sondern jetzt nach China gehen müssen.“

AUF EINEN BLICK

China will sein Gesundheitssystem reformieren. Bis zum Jahr 2020 sollen die jährlichen Ausgaben für das Gesundheitswesen auf umgerechnet 895 Mrd. Euro mehr als verdoppelt werden. Mit dem Geld sollen in erster Linie Spitäler modernisiert werden – und davon wollen auch österreichische Unternehmen und Start-ups profitieren. Die Wiener Wirtschaftskammer hat es sich zum Ziel gesetzt, den Exportanteil von Wiener Unternehmen nach Asien bis 2020 von zehn auf 15 Prozent zu erhöhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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