Zweifelhafte Zusatzklauseln über Mindestverzinsung

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Bei vielen Franken-Krediten sind die vereinbarten Sollzinsen ins Minus gerutscht. Banken wollen trotzdem zumindest die Marge kassieren.

Dass man als Kreditkunde Zinsen von der Bank bekommt, anstatt welche zu zahlen, ist schwer vorstellbar. Trotzdem meinen Konsumentenschützer, vielen Franken-Kreditnehmern würden jetzt Zinsen zustehen. Denn der übliche Referenzzinssatz, der CHF-Libor, ist ins Minus gerutscht. Aus den Zinsgleitklauseln vieler Kreditverträge ergibt sich deshalb – auch noch nach Hinzurechnen des vereinbarten Aufschlags (Marge) – ein negativer Sollzinssatz.

Die Banken sehen das anders, sie meinen, dass sie trotzdem Anspruch auf Zinsen in Höhe der Marge haben. So stehe es aber nicht im Vertrag, kontern die Verbraucherschützer. Entscheidend sei der Wortlaut der Zinsgleitklausel. Und wenn sich daraus Negativzinsen ergeben, müsse eben nicht der Kunde, sondern die Bank zahlen.

Zinsloser Kredit. Viele Juristen halten jedoch eine dritte Variante für die wahrscheinlichste: dass die Zinsen zwar bis null sinken können, aber nicht darunter. Die Kredite würden dann unverzinst weiterlaufen. Auch für Rechtsanwalt Martin Trapichler ist das die plausibelste Version: Entscheidend sei der übereinstimmende Parteiwille beim Vertragsabschluss, „und wenn man als Kreditkunde ehrlich zu sich selbst ist, muss man wohl zugeben, dass niemand – weder die Bank noch der Kunde – Negativzinsen wollte“. Dass die Zinsen nicht unter die Marge fallen können, sei aber ebenso wenig anzunehmen: „Bis null wird es schon gehen können.“ Weil die Banken aber auch das nicht wollen, argumentieren viele jetzt mit einer „Vertragslücke“: Der Fall, dass der Referenzzinssatz negativ wird, sei unvorhersehbar gewesen und deshalb nicht geregelt worden, meinen sie. Also müsse diese Lücke jetzt durch „ergänzende Vertragsauslegung“ geschlossen werden – eben dahingehend, dass dann der vereinbarte Aufschlag den Mindestzinssatz bildet.

Doch keine Lücke? Trapichler bezweifelt jedoch, dass diese Argumentation vor Gericht halten würde: In Wahrheit bestehe nämlich gar keine Vertragslücke, meint er. „Nur weil man mit etwas nicht gerechnet hat, heißt das noch lang nicht, dass es beim Vertragsabschluss unvorhersehbar war und deshalb eine Vertragslücke vorliegt.“

Manche Banken verlassen sich denn auch nicht auf die „ergänzende Vertragsauslegung“, sondern haben ihren Kunden Zusatzvereinbarungen zum Unterschreiben vorgelegt, in denen der Aufschlag als Mindestzinssatz festgelegt wird. Das muss man aber erstens nicht akzeptieren – und zweitens sind solche Klauseln möglicherweise gar nicht rechtswirksam, selbst wenn man unterschrieben hat. Laut Trapichler stehen sie im Widerspruch zum Konsumentenschutzgesetz: „Eine Zinsgleitklausel, die einseitig eine Untergrenze vorsieht, unter die der Sollzinssatz nicht fallen kann, widerstreitet dem grundsätzlichen Gebot, dass Zinsgleitklauseln beidseitig sein müssen.“ Außerdem enthält das Verbraucherrecht ein Transparenzgebot: „Die Banken müssten dann ihre Kalkulationsgrundsätze offenlegen. Das tun sie aber nicht.“

Exportiert

Die heimischen Banken haben Fremdwährungskredite über ihre Osteuropa-Töchter in die Region getragen. Kein „Ruhmesblatt“, wie Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsicht, findet. Ungarn hat die Banken dazu gezwungen, Franken-Kredite in Forint zu konvertieren. Auf den Verlusten blieben die Institute sitzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2015)

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