Studie: Ungleiche Einkommensverteilung frisst Wachstum

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Eine ungleiche Verteilung von Einkommen senkt das Wachstum, so die OECD. Das Problem dabei sind aber nicht die Einkommen der Topverdiener.

Wien. Ist Ungleichheit gut oder schlecht für das Wachstum einer Volkswirtschaft? Diese Frage wird in der Ökonomie schon seit Jahrzehnten heiß diskutiert. Denn für beide Antworten lassen sich Argumente finden. So führt eine ungleiche Verteilung der Einkommen etwa dazu, dass sich Menschen mehr anstrengen und größere unternehmerische Risken eingehen, was höheres Wachstum bringt. Außerdem kann mehr Kapital akkumuliert werden, das dann für Investitionen zur Verfügung steht.

Im Gegenzug wird jedoch durch die geringere Kaufkraft der schwächeren Einkommensschichten der Konsum gesenkt. Zudem können diese Schichten aufgrund ökonomischer Zwänge auch ihre Möglichkeiten im Bildungssystem nicht voll ausschöpfen. Zu guter Letzt kann zu hohe Ungleichheit auch zu Spannungen in der Gesellschaft führen, in deren Folge wirtschaftsfeindliche Politik – etwa hohe Steuern – populär wird. Auch das führt indirekt zu weniger Wachstum.

Mittelschichtproblem

Die OECD hat sich in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Studie zu dem Thema („In it together: Why less inequality benefits all“) all dieser theoretischen Fragen angenommen und das Ganze mit empirischen Untersuchungen verglichen. Und sie hat sich festgelegt: Ungleichheit bei der Einkommensverteilung senkt das Wachstum, so die Autoren. Allerdings ist entscheidend, wie diese Ungleichheit entsteht. So sind nicht die öffentlich diskutierten steigenden Einkommen einiger weniger Topverdiener das Problem. Ein sinkendes Wachstum ergibt sich vielmehr, wenn die unteren 30 bis 40 Prozent der Einkommensbezieher den Anschluss zum Durchschnitt verlieren.

„Veränderungen in der Ungleichheit bei den obersten zehn Prozent der Einkommensbezieher haben keinen signifikanten Einfluss auf das wirtschaftliche Wachstum“, heißt es in der Studie. „Diese Verteilung ist für soziale Normen oder im Rahmen der Verteilungsgerechtigkeit relevant. Für das Wachstum spielt sie keine Rolle“, sagt Michael Förster von der OECD zur „Presse“.

Anders sieht es jedoch aus, wenn die Ungleichheit unterhalb der Mitte zunimmt. Es geht dabei nicht mehr nur um die untersten zehn Prozent, die von Armut betroffen sind. In den meisten Ländern verliere die gesamte untere Mittelschicht gegenüber dem Rest. Und das führt vor allem dazu, dass Kinder aus diesen Familien früher das Bildungssystem verlassen, weil die Kosten zu hoch sind. Dies verringert nicht nur die persönlichen Chancen, durch höhere Bildung ein höheres Einkommen zu erzielen, auch die Volkswirtschaft als Ganzes verliert dadurch. Dies ist natürlich in jenen Ländern besonders ausgeprägt, in denen etwa Studien mit hohen Gebühren belegt sind.

Die Politik hat laut OECD mehrere Möglichkeiten, um auf dieses Problem zu reagieren. Am wichtigsten sei – auch in Österreich – die Einführung von qualitativen Bildungseinrichtungen ab dem frühesten Kindesalter an. „Die Bildungschancen werden häufig bereits in diesen ersten Jahren verteilt“, sagt Förster. Dies treffe vor allem dann zu, wenn es auch um sprachliche Probleme gehe. Daneben sollte die Politik auch danach trachten, dass „atypische Jobs keine Sackgasse für die Betroffenen sind“.

Aufpassen bei Steuern

Zu guter Letzt trägt natürlich auch das Steuersystem zur Umverteilung bei. Bei diesen „passiven“ Maßnahmen müsse jedoch aufgepasst werden, da diese auch wachstumshemmende Effekte mit sich brächten.

So könnten zu hohe Arbeitslosengelder die Anreize zur Aufnahme von Arbeit reduzieren. Und steuerliche Umverteilung brächte auch immer Verluste durch das bürokratische System. Außerdem sei dieser Punkt hierzulande schon weit ausgebaut. „Die Steuern auf Arbeit müssen eigentlich allgemein gesenkt werden“, so Förster.

Auf einen Blick

Eine ungleiche Verteilung von Einkommen ist laut einer am Donnerstag veröffentlichten OECD-Studie ein Wachstumshemmnis. Entscheidend ist dabei jedoch, wo diese Ungleichheit entsteht. So hat sie keine „signifikante Auswirkung“, wenn sie durch eine Steigerung der Topeinkommen induziert wird. Problematisch ist jedoch, wenn die untere Mittelschicht gegenüber dem Rest verliert. Denn dann werden vor allem die Bildungschancen der Kinder aus diesen Familien nicht ausgeschöpft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2015)

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