Italien gibt Kassabon auf und setzt auf das Internet

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Jahrzehntelang bewahrte jeder Kunde selbst die Rechnung für den Cappuccino auf. Damit ist es vorbei. Umsätze werden künftig direkt dem Finanzamt gemeldet.

Rom. Den Italienern ist er seit nunmehr 30Jahren vertraut, den ausländischen Touristen ebenso: der „scontrino fiscale“, der Kassenbon. Während in Österreich die Einführung der Registrierkassenpflicht bevorsteht (siehe Artikel links), bahnt sich in Italien das Ende der Ära des auf Papier gedruckten Kassenbelegs an. Ab Jänner 2017 sollen elektronische Rechnungen die Kassenbons ablösen.

Unternehmen sollen künftig ihre Einnahmen automatisch über das Internet an die Steuerbehörden weiterleiten. Dieses neue Finanzdekret wurde vom Ministerrat in Rom beschlossen, um Steuerhinterziehung aktiv zu bekämpfen und mehr Transparenz im Handel zu fördern. Der Kunde hat aber weiterhin das Recht, einen Rechnungsausdruck zu verlangen.

Damit geht in Italien eine Epoche zu Ende, die 1985 begonnen hat, als der damalige Finanzminister, Bruno Visentini, den scontrino eingeführt hat, um die grassierende Steuerhinterziehung im Handel aktiv zu bekämpfen. Seitdem sind alle Händler verpflichtet, immer einen maschinell erstellten Kassenbon auszustellen.

Der Kunde muss auf diesen bestehen und in einem Umkreis von 100 Metern vom Geschäft bei sich tragen. Wenn man in einer Bar einen Espresso getrunken oder sich in einem Laden eine Flasche Wasser gekauft hat, kann es passieren, dass man auf der Straße von Beamten der Guardia di Finanza angesprochen wird. Kann man den Kassenbon vorweisen, ist alles in Ordnung. Erwischen sie jemanden ohne scontrino, werden Bußgelder fällig.

Hälfte der Einkäufe irregulär

Der Steuerbeleg ist eingeführt worden, um Unternehmen, Gewerbetreibende und Freiberufler zu zwingen, überhaupt Rechnungen auszustellen und die Umsätze zu versteuern. Durch den scontrino fiscale konnte der Staat alles leicht nachprüfen. Widerwillig fügten sich die meisten Unternehmer der neuen Vorschrift.

Die Meinungen über die Effizienz der Maßnahme gehen auseinander. Zweifellos konnten zahlreiche Italiener, die vorher fürs Finanzamt offiziell arme Schlucker waren, sich nun nicht mehr vor dem Steuerzahlen drücken. Aber weiterhin wird viel am Finanzamt vorbeigeschleust. Viele Händler erstellen keinen Kassenbon, viele Kunden fragen nicht danach. Laut Schätzungen verläuft die Hälfte aller Einkäufe irregulär. Der Staatskasse entgehen dadurch jährlich Milliarden Euro.

Kein Wunder, dass der Steuerbeleg vielen Experten schlicht überholt erscheint. Die scontrini fiscali seien längst überflüssig und vor allem nicht in der Lage, Steuerhinterziehung aktiv zu bekämpfen. Dank moderner Informationstechnologie gebe es eine bessere Methode zur Steuerkontrolle.

Online-Zahlungsverkehr lasse sich leichter überprüfen, meint die Direktorin der italienischen Steuerbehörde, Rossella Orlandi. Sie will eine Art elektronischen Kassenbon einführen. Die Kassen von Supermärkten, Banken und Geschäften sollen automatisch mit der Datenbank der Steuerbehörde vernetzt werden. Diese soll unter anderem die Umsätze mit dem Volumen der Waren vergleichen, die in jedem Geschäft erworben werden. Tauchen Widersprüche auf, gibt es gezielte Kontrollen.

Die Regierung von Premier Matteo Renzi will außerdem den elektronischen Zahlungsverkehr stärker fördern. Wer gewerbsmäßig Waren verkauft oder Dienstleistungen erbringt, muss seit vergangenem Juli über ein Gerät verfügen, um bargeldlose Zahlungen mit Bankomatkarten entgegennehmen zu können. Das gilt auch für Freiberufler wie Rechtsanwälte, Architekten oder Ärzte. Durch verstärkte Bankomatzahlungen soll die Verwendung von Bargeld weiter eingeschränkt werden, um die Steuerhinterziehungen zurückzudrängen.

AUF EINEN BLICK

Der Kassabon muss in Italien seit 1985 aufbewahrt werden – und zwar bis zu 100 Meter im Umkreis des Lokals oder Geschäfts, in dem man etwas konsumiert oder eingekauft hat. Trotzdem werden nach Schätzungen noch immer die Hälfte der Umsätze an der Steuer vorbei gemacht. Der neue Plan der Regierung ist daher, die Kassen direkt mit dem Rechenzentrum der Finanz zu vernetzen. Das System soll auch automatisch Unregelmäßigkeiten aufzeigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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