Sanktionen machen Moskau billiger

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Da ausländische Unternehmen ihr Personal abziehen oder aufgrund der schlechten Wirtschaftslage sparen müssen, verfallen die Mietpreise in den Nobelvierteln Moskaus.

Moskau. Während die russische Wirtschaft schrumpft, lebt Rohstoffberater Alexander Proswirjakow so luxuriös wie nie zuvor. Proswirjakow, der für einen der vier großen Buchprüfer Russlands arbeitet, hat im April ein Schnäppchen mit einer Wohnung in der Nähe des Moskauer Puschkin-Platzes gemacht. Er zahle für das 120 Quadratmeter große Apartment nur etwa halb so viel von dem, was noch 2014 verlangt worden sei. „Als Single habe ich anfangs nicht einmal einen Gedanken an eine solch große Wohnung verschwendet“, sagt der 34-Jährige der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Doch als ich begann, mich auf dem Markt umzusehen, stellte ich fest, dass es eine neue Realität gibt. Und ich dachte mir, warum nicht auf großem Fuß leben?“

Die Mieten in Moskaus begehrtesten Stadtteilen brechen regelrecht ein, seit viele Manager amerikanischer und europäischer Unternehmen weggezogen sind. Ausländische Firmen senken die Kosten angesichts schrumpfender Gewinne – ausgelöst durch den Rückgang der Ölpreise und aufgrund der Sanktionen des Westens für Russland wegen der Krim-Krise.

„Wir haben beobachtet, wie einige Branchen, die sonst Topwohnungen für ihre Angestellten verlangt haben, sich aus Russland zurückziehen. Das gilt etwa für den Öl- und Gassektor. Bisher gibt es keinen Ersatz“, berichtet Elena Kulikova, Chefin des Maklers Intermark Savills für Moskau. „Positiv ist jedoch, dass es eine großartige Zeit für Wohnungssuchende ist.“

So hatte beispielsweise Schlumberger Ltd., der größte Ölfelddienstleister der Welt, im vergangenen Jahr alle Mitarbeiter, die EU- oder US-Staatsbürger sind, wegen der Sanktionen aus Russland abgezogen. Erst im März dieses Jahres legte General Motors Co. ein Werk in St.Petersburg still und stoppte den Verkauf der Marke Opel und der meisten Chevrolet-Modelle. Die französische Großbank Société Générale SA, die in diesem Jahr einen Verlust von bis zu 300 Mio. Euro in ihrer russischen Sparte erwartet, will nach dem Arbeitsplatzabbau im ersten Quartal noch einmal 1000 Jobs streichen.

Rückzug der Ausländer

Der Rückzug der Ausländer aus den teuren Stadtteilen, die von ihnen bevorzugt werden, hat die Preise dort über die vergangenen zwölf Monate im Durchschnitt um rund 40Prozent fallen lassen (gemessen in Dollar). Das erklärt David Gilmartin, Besitzer von Troika Relocations. Die Firma hilft Ausländern bei der Wohnungssuche. „Der Mietmarkt ist gleich doppelt unter Druck geraten“, berichtet Gilmartin. „Er war sowieso schon von Anbeginn überteuert. Und die Anzahl der Leute, die auf der Suche sind, ist dramatisch gesunken.“

„Es wird mindestens ein bis drei Jahre dauern, bevor die meisten Auslandsmanager zurückkehren“, glaubt Nick Rees, der bis vor Kurzem Landeschef bei dem Personalberater Sthree war. „Falls die Sanktionen im Juli fallen, dann werden Ölfirmen vielleicht einige Ausländer zurückbringen, um an technologisch herausfordernden Projekten zu arbeiten. Aber in anderen Sektoren wird es deutlich länger dauern.“

Proswirjakow, jener Berater, der das Wohnungsschnäppchen am Puschkin-Platz gemacht hat, hat in seinem Apartment Fenster, die vom Boden bis zur Decke reichen. An der Wand hängt das Bild eines Elefanten – eine Art Metapher für seine aktuelle Situation in der russischen Hauptstadt (im Englischen steht die Redewendung „Elephant in the Room“ für eine offensichtliche Wahrheit, die ignoriert oder über die nicht gesprochen wird). „Einige Leute wollen nicht über den Elefanten im Zimmer sprechen“, sagt Proswirjakow und meint damit den wirtschaftlichen Abschwung des Landes. „Die wirtschaftlichen Probleme belasten jedermann. Wie dem auch sei, ich jedenfalls liebe mein neues Zuhause.“ (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2015)

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