Schäuble: "Griechenland ist nicht mehr wettbewerbsfähig"

APA/EPA/JULIEN WARNAND
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Der deutsche Finanzminister lehnt eine Verantwortung für die griechische Misere ab. Die Griechen ziehen verstärkt Geld von Konten ab.

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble sieht die Verantwortung für die wirtschaftliche Schieflage Griechenlands im Land selber und lehnt einen weiteren Schuldenschnitt ab. "Die deutsche Bundesregierung ist nicht an allem schuld", sagte Schäuble in einem am Mittwoch veröffentlichten "Zeit"-Interview.

"In den meisten anderen Mitgliedsstaaten geht es wegen der niedrigen Ölpreise und der Abwertung des Euro aufwärts. In Griechenland aber nicht." Das Land habe im Moment dringlichere Probleme als seine Schulden: "Griechenland ist nicht mehr wettbewerbsfähig", so Schäuble.

Varoufakis schließt Kapitalkontrollen aus

Die neue griechische Regierung ringt seit Monaten mit ihren internationalen Geldgebern um die Auflagen für weitere Hilfen, die das Land vor der Staatspleite bewahren sollen. Schäuble schloss nicht aus, dass es dort auch zu Beschränkungen im Geldverkehr kommen könnte, betonte aber: "Die Entscheidung über Kapitalverkehrskontrollen obliegt allein den Mitgliedsstaaten."

Finanzminister Yanis Varoufakis wies am Mittwoch energisch diesbezügliche  Spekulationen zurück. "So etwas ist absolut ausgeschlossen", betonte Varoufakis. "Das kommt unter keinen Umständen infrage." Laut Insidern sei in der vorigen Woche mehr als in den Vorwochen abgezogen worden, erklärten am Mittwoch Vertreter der Bankenbranche, die anonym bleiben wollten. Zuletzt seien täglich 200 bis 300 Mio. Euro abgeflossen. In den vergangenen sechs Monaten hatten die Griechen insgesamt etwa 35 Mrd. Euro abgehoben. 

Rogoff plädiert für Schuldenschnitt

Zudem verteidigte Schäuble den Ansatz der Eurozone, Hilfe nur bei Reformen zu leisten: "Wir haben gesagt, wir helfen euch, aber ihr müsst finanziell wieder auf eigene Beine kommen." Die neue Regierung sage aber: "Wir wollen den Euro behalten, aber wir wollen das Programm nicht mehr. Das passt nicht zusammen." So beschäftigte Griechenland von allen Euro-Staaten, gemessen an der Bevölkerung, die meisten Beamten und wolle noch mehr einstellen. Auch habe es einen höheren Mindestlohn als viele andere Euro-Staaten und verlange nach zusätzlichen Finanzhilfen.

In dem Doppelinterview plädierte der US-Ökonom Kenneth Rogoff für einen Schuldenschnitt in Griechenland. Die hohe Staatsverschuldung verunsichere Investoren. Schäuble lehnte das ab. Im Jahr 2012 seien dem Land bereits die Hälfte seiner Schulden bei privaten Anlegern erlassen worden. Die Senkung der Zinsen und die Streckung der Rückzahlungsfristen für die Hilfskredite wirkten bereits wie ein zweiter Schuldenschnitt.

Hinter dem Zeitplan

Auch Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission, hält "die griechische Situation für sehr kritisch". Es sei "klar, dass wir den Deal sehr bald abschließen müssen. Wir sind schon ein paar Monate hinter dem ursprünglichen Plan zurück".  Dombrovskis sprach auch von einer schwierigen Liquiditätssituation in Griechenland. Die Verhandlungen zwischen Athen und der Eurogruppe hätten schon Ende April abgeschlossen sein sollen. "Jetzt haben wir Ende Mai". Es müsse "möglichst schnell Fortschritte" geben.

Der Vizepräsident verwies darauf, dass die technischen Verhandlungen weiter gingen. Es gebe zwar schon "schrittweise Fortschritte", in ein paar Bereichen wie der Mehrwertsteuer, doch blieben Pensionsreform, Arbeitsmarkt und Beamtensystem weiterhin auf der Agenda. Das beste Ergebnis für Griechenland und die Eurozone wäre, dass Athen seine Sparvorgaben auch umsetzt.

Indes drängen die USA den IWF und Europa zu mehr Flexibilität im Umgang mit den reformmüden Griechen. US-Finanzminister Jack Lew warnte am Mittwoch vor dem G7-Finanzministertreffen, es im Schuldenstreit mit der neuen Regierung in Athen auf einen Kollaps ankommen zu lassen. Auch aus Sicht von Ökonomen birgt ein solches Szenario unkalkulierbare Risiken.

(APA/Reuters)

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