Investitionen: Jungbanker vor erster Feuerprobe

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Da ihre Berufserfahrung auf die Zeit der lockeren Geldpolitik beschränkt ist, kennen Jungbanker nur steigende Märkte. Wie werden sie mit Gegenbewegungen umgehen?

New York. Magdy El-Mihdawy erinnert sich noch genau daran, wo er war, als der Aktienmarkt im Jahr 2009 in sich zusammenbrach: Er genoss die Frühjahrsferien als 22-jähriger Student in Florida. Eigentlich hatte El-Mihdawy einst von einer Karriere als Tennisspieler im Profilager geträumt. Es kam anders. Seit 2009 nämlich arbeitet er in der Abteilung für Aktienderivate bei Cantor Fitzgerald LP. Ebendort ist er Teil jener Gruppe von Jungbankern, die nichts anderes kennen als die Nachkrisenwelt mit ihren superniedrigen Zinsen und ständig steigenden Märkten. Nun rückt die Zeit näher, da diese Händler vor ihrer ersten Feuerprobe stehen.

Die Jungbanker werden wohl bald am eigenen Leib erfahren, was es bedeutet, wenn die Fed ihre Zinsen anhebt. Und die alten Hasen der Wall Street fragen sich derweil, wie sich die diesbezüglich Unerfahrenen schlagen werden.

Durchschnittsalter 30 Jahre

„Was wir in den vergangenen vier Jahren erlebt haben, war eine Zeit, in der man das schnellste und einfachste Geld überhaupt verdienen konnte“, sagt Jungbanker El-Mihdawy, der Volkswirtschaft an der New Yorker Columbia University studiert hat. „Wenn sich nun eines Tages die Erzählweise ändert und Investoren nicht mehr länger an die allmächtige Kraft der Zentralbanken glauben, dann wird die alte Schule zurückkehren – also fundamentale Analysen und eine Begutachtung dessen, was wirklich vonstatten geht.“

Niemand in der Branche behauptet, dass der Nachwuchs weniger als einst die Vorgängergenerationen kann. Was jedoch erstaunlich ist, ist die große Anzahl jener, die in die Branche eingestiegen sind, nachdem die Federal Reserve 2008 die Zinsen nahe null gesenkt hat. Der Gehaltswebsite emolument.com zufolge liegt das durchschnittliche Alter der Händler derzeit bei 30 Jahren – und rund 30 Prozent haben ihren Job innerhalb der vergangenen fünf Jahre begonnen. Die Website wertet für ihre Analysen die Daten von 50.000 Personen auf dem Finanzmarkt aus.

Haupterfahrung Bullenmarkt

Zwei Drittel der Händler haben demnach noch nie einen vollständigen Straffungszyklus der Federal Reserve miterlebt.

Die wohl größte Unruhe, die die meisten Aktienteilnehmer in dem seit sechs Jahren andauernden Bullenmarkt miterlebt haben, war der Einbruch von rund 7,4 Prozent beim Standard-&–Poor's-500-Index im vergangenen Oktober. Allerdings wurden diese Verluste innerhalb von nur zwei Wochen wieder wettgemacht. In fünf der vergangenen sechs Jahre konnte der US-Leitindex für Aktien einen zweistelligen Prozentgewinn verzeichnen. Seit dem Ende des Bärenmarkts 2009 kommt er auf ein Plus von mehr als 200 Prozent. Eine lockere Geldpolitik gilt allgemein als treibende Kraft auf dem Aktienmarkt.

Bei einer Bloomberg-Umfrage unter Volkswirten im Mai sagten die meisten Teilnehmer, sie würden mit einer Anhebung der Zinsen für September rechnen. Futures-Händler glauben indes, dass die Fed bis zum Dezember warten wird. Fed-Chefin Janet Yellen selbst wiederum rechnet nach Angaben vom 22. Mai weiterhin mit einer Zinserhöhung noch in diesem Jahr, falls die Wirtschaft sich entsprechend ihren Vorstellungen entwickelt.

„Ich vermute, dass die Leute mit weniger Erfahrung eine natürliche Neigung dazu haben, die Auswirkungen von Zinsschritten zu unterschätzen“, sagt Stephen Stanley, Chefvolkswirt bei Amherst Pierpont Securities LLC in Stamford, Connecticut. „Ein Mangel an Vorstellungskraft“ könnte für junge Händler Probleme mit sich bringen. (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2015)

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