Kroatien: Freie Liegen für den früheren Feind

(c) APA (Petr Blaha)
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Hoteliers an der Adria buhlen um die lang verschmähten serbischen Urlauber. Angesichts der Weltwirtschafts-Krise müsse Kroatien mit einer schwachen Saison rechnen, warnt Tourismusminister Damir Bajs.

Belgrad/Zagreb. Noch weht an der kroatischen Küste zwischen Dubrovnik und Pula eine eher frische Brise. Doch die Hoteliers und Gastronomen an der Adria sind für die begonnene Sommersaison längst gerüstet. Die Fassaden von Nobelherbergen und Pensionen wurden frisch gestrichen, Küstenwanderwege erneuert, die Uferpromenaden neu bepflanzt.

Doch trotz großer Investitionen blickt Kroatiens Tourismusbranche nach Jahren stetigen Wachstums mit Sorge in Richtung Sommer. Angesichts der Weltwirtschaftskrise müsse Kroatien mit einer schwachen Saison rechnen, warnt Tourismusminister Damir Bajs. Laut seiner Prognose ist mit einem Rückgang von drei Prozent zu rechnen – ein schwerer Schlag für den Sektor, der fast 20 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht.

Viele Hoteliers fürchten deutlich größere Einbrüche. War in den Vorjahren Anfang April bereits ein Fünftel der Bettenkapazität für die Saison reserviert, betrug deren Auslastung durch Vorbuchungen in diesem Jahr nur zwölf Prozent. Stark rückläufige Besucherzahlen haben so gut wie alle Mittelmeerländer zu erwarten. Vor allem Besucher aus dem krisengebeutelten Großbritannien und aus Russland drohen verstärkt zu Hause zu bleiben.

Keine Visapflicht für Russen

Mit einem Aktionsplan und verstärkten Marketinganstrengungen hofft Zagreb die Folgen der Krise abzufedern. Für Besucher aus Russland und der Ukraine hat Kroatien die Visapflicht bis Oktober vorübergehend aufgehoben. Auch für betuchte Gäste aus Indien, China und den arabischen Staaten könnte die lästige Visapflicht bald fallen.

Während Hoteliers und Reiseveranstalter Kunden mit satten Preisnachlässen ködern, müht sich die Regierung, den Flughäfen neue und ungewohnt lautstarke Kundschaft zu verschaffen: Mit der Landeerlaubnis für altersschwache Iljuschin-Maschinen hofft Zagreb Charterflüge aus den Ländern der früheren Sowjetunion anzulocken.

In der Not erinnern sich Kroatiens Gastronomen indes auch an alte, aber lang verschmähte Gäste. Erstmals seit Ende des Kroatien-Kriegs 1995 bemüht sich Zagreb auffällig um die Klientel im nahen Serbien. Schon bei der Belgrader Tourismusbörse im Februar hat Kroatiens Fremdenverkehrsverband eine gezielte Kampagne im Nachbarland gestartet. Auf Werbeplakaten buhlen seitdem kroatische Ferienziele um die serbische Publikumsgunst. Der Verweis auf die Nähe, die billige Anreise und die gemeinsame Sprache soll die Nachbarn an die kroatische Adria locken.

Angst um das eigene Auto

Doch vor allem die Furcht um das eigene Vehikel ist es, die potenzielle Gäste aus Serbien noch immer vor einer Fahrt in die frühere Kriegsgebiete Dalmatiens zurückschrecken lässt. Zwar sind zerkratzte Karosserien, zerstochene Reifen und eingedrückte Scheiben bei Fahrzeugen mit Belgrader Kennzeichen kaum mehr zu befürchten. Doch jeder kleine Vorfall wird von Serbiens Presse aufmerksam registriert. So haben die Anfeindungen serbischer Spieler und Fans während der Handball-WM in Zadar einen weit stärkeren Eindruck in Serbiens Öffentlichkeit hinterlassen als die Versicherungen kroatischer Politiker und Tourismusfunktionäre, dass die Nachbarn in Dalmatien willkommen seien.

Zumindest in Istrien, wo es selbst während des Krieges kaum zu nationalistischen Exzessen kam, wird eine zunehmende Zahl serbischer Besucher registriert. Hier sind ihre Autos sicher, beteuern Hoteliers. Doch auch in Dalmatien scheint die Krise zumindest die Gastronomen merklich versöhnlicher auf die alten Feinde blicken zu lassen. Was Slobodan Milo?evi? und andere serbische Politiker Kroatien angetan hätten, sei zwar unverzeihlich, erklärte kürzlich Goran Strok, der Eigentümer der dalmatischen Hotelkette GS: „Aber der Krieg ist vorbei. Die Serben sind unsere Nachbarn und auch gute Leute. Ich will wieder serbische Touristen in Dubrovnik sehen.“

Auf einen Blick

Kroatiens Tourismusbranche befürchtet für die Saison krisenbedingte Rückgänge. Deshalb sollen neue Gäste angelockt werden. Vor allem die Nachbarn und früheren Feinde aus Serbien kommen wieder ins Visier. Die aber fürchten sich vor Ressentiments und späten Racheakten an ihren Autos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2009)

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