China: Die Anziehungskraft des Ostens

(c) REUTERS (KIM KYUNG-HOON)
  • Drucken

Wenn Ende des Monats die chinesische Entwicklungsbank AIIB an den Start geht, wird die Welt neu geordnet. Und die AIIB ist erst der Anfang von Chinas Geldoffensive.

Wien/Peking. Am 29. Juni, einem Montag, wird in Peking Geschichte geschrieben. Denn an diesem Tag werden Vertreter der derzeit 57 Mitglieder der AIIB, der Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank, zusammenkommen, um die Gründungsdokumente der Bank zu unterschreiben. Ein bedeutender Schritt auf dem Weg in eine „multipolare“ Weltordnung – denn in Finanzierungs- und Gelddingen gab es in den vergangenen Jahrzehnten nur eine dominante Macht: die Vereinigten Staaten von Amerika.

Seit 1944 steht der Dollar im Zentrum des Finanzsystems. Weltbank und Internationaler Währungsfonds sind Institutionen dieser Nachkriegsordnung – gegründet zur Stabilisierung des Systems von Bretton Woods. Dieses ist in seiner ursprünglich geplanten Form zwar schon 1971 zusammengebrochen – der Dominanz des Dollars hat das aber kaum geschadet. Die Währungsmärkte, die internationalen Institutionen und vor allem der wichtige Ölhandel – alles blieb auf den Dollar konzentriert.

Mit der AIIB werden (asiatische) Länder erstmals Zugang zu internationaler Projektfinanzierung außerhalb des Dollarsystems haben. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird es eine echte Alternative zur Weltbank und dem IWF geben. Für die Chinesen ist die Bank eine weitere ihrer beliebten „Win-win“-Situationen. Anfänglich mit umgerechnet rund 100 Mrd. Dollar ausgestattet, soll die Bank zuerst den enormen Infrastruktur-Bedarf Asiens finanzieren.

Das geht Hand in Hand mit Chinas gewaltigem Projekt einer neuen Seidenstraße, die das Land mit seinen asiatischen Nachbarn, aber auch Russland und Europa verbinden soll. Gleichzeitig wird wohl Chinas Währung, der Yuan, bei der AIIB eine zentrale Rolle spielen – zumindest mittelfristig. Das erhöht die internationale Akzeptanz der Währung und schafft – langfristig – eine Alternative zu Dollar und Euro.

Wettlauf um Yuan-Drehscheibe

Und dann ist da noch die politische Dimension. Nicht nur, dass China die traditionellen US-Verbündeten Australien, Großbritannien und Deutschland mit ins Boot geholt hat. Diese Länder haben sich sogar gegen den ausdrücklichen Wunsch Washingtons beteiligt – um sich den Zugang zu den vielen Milliarden nicht zu versperren, die für Projekte wie die Seidenstraße eingeplant sind. Aber auch, weil die Zeiten globaler uneingeschränkter US-Dominanz endgültig vorbei scheinen.

Zu groß ist inzwischen die Anziehungskraft des Ostens – und die damit verbundene wirtschaftliche Chance. Dabei darf man auch nicht übersehen, dass Europa und China in Währungsdingen inzwischen eng kooperieren. Frankfurt, Paris und London liefern sich derzeit einen Wettlauf um den Titel der „europäischen Yuan-Drehscheibe“. Dafür werden Swap-Agreements ausgehandelt, die auch die Rolle des Euro (und des Pfund) in Asien stärken – was freilich stets zulasten der Bedeutung des Dollars geht.

Auch Österreich wird nach heutigem Stand der Dinge ein Gründungsmitglied der AIIB sein. Derzeit verhandeln vier Spitzenbeamte von Finanz- und Außenministerium die Details. Wie groß der Anteil Wiens an dem AIIB-Kapital sein wird, ist noch offen. Nur so viel: „Österreich steht dem Vorschlag der AIIB, eine Quote anzuwenden, die sich unter anderem an der Finanzkraft des jeweiligen Landes orientiert, positiv gegenüber“, heißt es aus dem Finanzministerium auf Anfrage der „Presse“. Unterschreiben wird die Gründungsdokumente voraussichtlich der österreichische Botschafter in Peking.

Nächster Schritt: NDB

Aus Deutschland sind bereits Zahlen bekannt: Berlin soll 4,1 Prozent an der AIIB halten. Damit wäre Deutschland nach China, Indien und Russland der viertgrößte Anteilseigner. Konkret soll Deutschland in den Jahren 2016 bis 2019 rund 900 Mio. Dollar zuschießen und zusätzlich ab 2016 3,6 Mrd. Dollar an Gewährleistungen übernehmen. Grob geschätzt kann man also davon ausgehen, dass Österreich ein bisschen mehr als ein Zehntel dessen übernehmen wird, also rund 0,5 Prozent an der Bank.

Die AIIB wird allerdings den Bretton-Woods-Institutionen Weltbank und IWF in einer Sache gleichen: Wieder wird ein Land die Bank dominieren. Diesmal ist es China. Aber die AIIB ist auch nur der erste Schritt. Gemeinsam mit Brasilien, Russland, Indien und Südafrika wird China im Juli die NDB, die New Development Bank, auf Schiene bringen. Das wird dann die echte, globale Alternative zu Weltbank und IWF sein. Die BRICS-Länder werden gemeinsam 55 Prozent halten – aber kein Land allein wird Entscheidungen blockieren können wie die USA beim IWF. Ob Österreich auch an der NDB teilnimmt, ist noch offen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.