Griechenland: Die Zeit läuft ab

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Die Zeit, eine Staatspleite Griechenlands zu verhindern, wird knapp. Am Sonntagabend scheiterten erneut die Verhandlungen mit der EU-Kommission in Brüssel.

Brüssel/Athen. Für Griechenland wird die Zeit knapp. Will das Land mit EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF noch bis zum 30. Juni eine Einigung über die Auszahlung von Hilfsgeldern in Höhe von 7,2 Mrd. Euro erzielen und so eine Staatspleite abwenden, muss es ein verbindliches Reformprogramm vorlegen und 1,6 Mrd. Euro an den IWF zurückzahlen.

Am Wochenende traf sich ein Vertreter von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit Nicos Pappas, dem persönlichen Vertreter des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Die Verhandlungen wurden am Sonntagabend aber ohne Einigung beendet. Die griechischen Vorschläge „bleiben unvollständig“, hieß es in einer Erklärung der Kommission. Athen wiederum bezeichnete die Gläuberforderungen erneut als „absurd“.
Umstritten sind insbesondere Reformen bei den Renten oder der Mehrwertsteuer. Bewegung gibt es dem Vernehmen nach bei der Zielmarke für den Primärüberschuss (Budgetüberschuss ohne Berücksichtigung von Zinszahlungen) im Staatsbudget. Ursprünglich waren drei Prozent der Wirtschaftsleistung angepeilt worden. Die Geldgeber fordern inzwischen für das laufende Jahr ein Prozent; Tsipras soll sich damit abgefunden haben.

Tsipras will Schuldennachlass

Der griechische Premier macht indes einen Schuldennachlass für sein Land zur Bedingung für eine Einigung mit den internationalen Geldgebern. „Wenn Europa die Spaltung will und die weitere Unterwerfung, werden wir uns für ein Nein entscheiden und den Kampf für die Würde des Volkes und unsere nationale Souveränität führen“, betonte Tsipras. Finanzminister Yanis Varoufakis deutete an, dass er Warnungen der Geldgeber vor einem Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion für Taktik hält. Er glaube nicht, dass die Europartner es so weit kommen ließen, sagte er am Samstag. Auf die Frage, ob EU und IWF nur blufften, sagte er: „Ich hoffe es.“

Juncker warnte indes vor dem sogenannten Grexit. „Ich wehre mich seit Monaten gegen den vermeintlich einfachen Weg.“ Ein Euro-Austritt Griechenlands habe „verheerende“ Folgen für das griechische Volk und große Nachteile zur Folge für die gesamte Eurozone. „Ich werde alles tun, damit das nicht passiert.“ Er warnte vor Formulierungen, wonach Europa vor „Schicksalstagen“ stehe – aber: „Träte Griechenland aus der Währungsunion aus, wäre die Europäische Union nie mehr dieselbe. Es wäre dann der Beweis angetreten worden, dass einige Integrationsfortschritte eben doch nicht irreversibel sind.“

Keine Krise wie Lehman

Für die Finanzmärkte wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone „verkraftbar“, meint der ehemalige Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. „Eine absolute Katastrophe à la Lehman sehe ich nicht, denn Lehman war unheimlich vernetzt im internationalen Finanzsystem.“ Die US-Investmentbank Lehman Brothers hatte mit ihrer Pleite 2008 eine internationale Finanzkrise ausgelöst. Griechenland hingegen sei schon länger vom internationalen Finanzmarkt abgeschnitten. Hauptgläubiger seien noch der IWF und der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM. Da ohnehin niemand mehr glaube, dass Griechenland seine Schulden voll zurückzahlen könne, würde ein Grexit nur zur Korrektur der Bilanzen führen. Juncker ließ am Sonntag übrigens verlauten, dass er von einer zeitgerechten Einigung mit Athen weiter „überzeugt“ sei.  

(ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2015)

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