Athen: Faymann für "Kompromiss auf Augenhöhe"

Greek PM Tsipras shakes hands with Austrian Chancellor Faymann in Athens
Greek PM Tsipras shakes hands with Austrian Chancellor Faymann in AthensREUTERS
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Werner Faymann traf heute als erster EU-Regierungschef Alexis Tsipras in Griechenland. Österreichs Kanzler sieht seinen Besuch in Athen aber vor allem als Zeichen der Solidarität mit der Bevölkerung.

"Österreichs Kanzler startet letzten Versuch", titelt "Spiegel Online" heute auf seiner Startseite. Und auch in den griechischen Medien ist Werner Faymann (SPÖ) prominent vertreten. Er zeige "Solidarität" mit Athen, schreibt etwa die Zeitung "Kathimerini" am Mittwoch. Kein Wunder, dass Faymann so viel Aufmerksamkeit bekommt: Immerhin besucht er Griechenland als erster EU-Regierungschefs seit dem Regierungswechsel – und das mitten in einer sehr heiklen Phase. Zu Mittag traf Faymann mit dem Premier Alexis Tsipras zusammen. Zuvor stand der Besuch von Sozialeinrichtungen und ein Treffen mit dem Präsidenten Prokopis Pavlopoulos auf dem Programm.

Verständnis für Linie der Regierung

"Ich halte es für sinnvoll, insbesondere kleinere Pensionen nicht mehr zu kürzen, sagte Faymann bei einem live im griechischen Fernsehen übertragenen Auftritt mit Tsipras.  Faymann zeigte in Athen erneut Verständnis für die Linie der Regierung. "Ich war immer der tiefen Überzeugung, dass man aus der Krise heraus investieren muss", sagte der Bundeskanzler. "Es kann keine Reform sein, wenn jemand Angst hat, in ein Spital zu gehen, weil er keine Krankenversicherung hat." Es sei auch nicht in Ordnung, wenn gewöhnliche Bürger hohe Abgaben leisteten, aber einige "in Steueroasen davonschwimmen". Der Kanzler erklärte laut Reuters, er habe vom Premier Informationen erhalten, dass Griechenland an neuen Vorschlägen für die Gläubiger arbeite.

Faymann (SPÖ) hat in Athen für einen "Kompromiss auf Augenhöhe" geworben. Es müsse aus der Krise heraus investiert werden. "Linear zu kürzen, trifft die sozial Schwachen am Härtesten". Er plädierte für eine Lösung, die die Armut und Arbeitslosigkeit in Griechenland nicht erhöhe. Von Griechenland forderte Faymann bessere Rechtsstaatlichkeit, forcierte Betrugsbekämpfung und funktionierende Finanzbehörden.

Tsipras: "Europa muss Konsequenzen bedenken"

Tsipras sagte laut Kanzlersprecherin Susanna Enk, dass Griechenland den "Teufelskreis der Austerität" durchbrechen müsse.Eine Erhöhung der Mehrwertsteuern für Medikamente und Strom könne es aber nicht geben, auch keine weiteren Kürzungen der Pensionsausgaben. Die griechischen Pensionisten hätten bereits viele Verluste gehabt. "Wenn Europa darauf besteht, muss es auch die Konsequenzen bedenken", sagte Tsipras.

Im Interview mit dem "Ö1-Morgenjournal" betonte Faymann am Mittwoch, er gehe immer noch davon aus, dass es in den festgefahrenen Verhandlungen mit den Geldgebern eine Lösung geben wird. "Ich gehe davon aus, dass jemand, der gewählt ist, seine Verantwortung wahrnimmt", so Faymann in Hinblick auf die Regierung in Athen. Er habe einen "engen Kontakt" mit dem Premierminister, er telefoniere regelmäßig mit Tsipras. Dieser bezeichnete Faymann nach einem Besuch in Wien als "Freund".

Kritik an Reformvorschlägen gewisser "Institutionen"

Faymann sieht seinen Besuch in Athen als Zeichen der Solidarität mit der Bevölkerung. Dass die linke griechische Regierung Reformvorschläge gewisser "Institutionen" ablehnt, kann er verstehen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der Tatsache, dass 30 bis 40 Prozent der Griechen keine Krankenversicherung hätten, fände er etwa den Vorschlag, die Mehrwertsteuer auf Medikamente zu erhöhen, "nicht in Ordnung". Faymann: "Das können Menschen in dieser schwierigen Situation nicht verstehen".

Greek PM Tsipras greets Austrian Chancellor Faymann in Athens
Greek PM Tsipras greets Austrian Chancellor Faymann in Athens(c) REUTERS (PAUL HANNA)



Als alternative Lösung sieht der Kanzler die Betrugsbekämpfung und die Verbesserung des griechischen Steuersystems. Derzeit würde nur ein kleiner Prozentsatz Steuern zahlen. Faymann fügte hinzu: "Ich stehe aber dort auf der Seite der Bevölkerung, wo ihnen in dieser schwierigen Situation noch weiteres Unsoziales vorgeschlagen wird".

Allerdings würden auf beiden Seiten die Nerven blank liegen, nun gehe es darum, zu verhindern, "dass eine Katastrophe passiert". Sein Besuch ist nach Angaben Faymanns mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker abgestimmt. "Ich gehe davon aus, dass ich Juncker sehr unterstützen kann, weil wir Österreicher in einem Land sind, dass sehr stolz darauf ist, dass man zum Arzt gehen kann und krankenversichert ist", so Faymann im "Ö1-Interview".

"Sind nicht an einem Grexit interessiert"

Er unterstütze Juncker "voll dabei, zu einem Ergebnis zu kommen", sagte Faymann auch am Dienstag nach dem Ministerrat. Allerdings sehe er die Gefahr, dass man sich sozusagen schleichend an die Idee eines "Grexits", also eines Austritts Griechenlands aus der Eurozone, gewöhne. Daher fahre er auch deshalb nach Athen, "um zu zeigen: "Wir sind nicht an einem Grexit interessiert".

Faymann bekräftigte, Griechenland brauche einen "längerfristigen Plan", um Investoren zu garantieren, dass das Land auch noch in einem Jahr Mitglied der Eurozone sein werde.

>>> Interview im "Ö1-Morgenjournal"

(sk/APA)

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