Schuldenkrise: Griechenland geht das Bargeld aus

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Die griechische Bevölkerung ist zunehmend verunsichert und hebt immer mehr Geld von den Konten ab. Nur ein erhöhter Notkredit der EZB konnte vorerst die Banken retten.

Athen. Wie eine Bombe schlug in Griechenland die Nachricht vom außerordentlichen EU-Krisengipfel am kommenden Montag ein. Während die Regierung die von ihr angestrebte „politische“ Verhandlung auf Ebene der Regierungschefs begrüßte, gab es am Freitag deutliche Anzeichen, dass die griechische Bevölkerung Angst um ihr Geld bekommt.

Bereits am Donnerstag soll nach Informationen aus Bankenkreisen eine Milliarde Euro von Privat- und Firmenkonten abgeflossen sein, für Freitag fürchtete man weitere Abflüsse von bis zu drei Milliarden Euro. Freitagmittag musste in einer Krisensitzung des Vorstandes der Europäischen Zentralbank (EZB) eine weitere Erhöhung der Notfallsliquidität (ELA) für das Mittelmeerland beschlossen werden. Damit liegt der Finanzierungsrahmen nun bei 87,6 Milliarden Euro. Ohne diese Hilfe, so hieß es aus Frankfurt, hätten die griechischen Banken am Montag möglicherweise nicht mehr öffnen können.

Ein Rundgang im Athener Zentrum bestätigte am Freitag die Befürchtungen: Der Verkehr in Bankfilialen und vor Bankomaten war ungewöhnlich hoch. Bereits Ende April lagen die Einlagen von Haushalten und Firmen mit 134 Milliarden Euro auf Rekordtief, seit dem Abbruch der Verhandlungen vergangenes Wochenende und nach der gescheiterten Sitzung der Euro-Gruppe am Donnerstag hat sich die Lage weiter zugespitzt.

Der Notfallmechanismus der EZB ist die einzige Finanzierungsquelle Griechenlands, das von den Kapitalmärkten abgeschnitten ist und dessen Staatsanleihen von der EZB nicht mehr als Garantien für Kredite akzeptiert werden. Wird am EU-Gipfel von Montag keine Lösung gefunden, ist ein von vielen beschworener Greccident, ein ungeordneter Zahlungsausfall, wahrscheinlich. Denn bereits am 30. Juni muss Griechenland Kredite in Höhe von 1,6 Mrd. Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. IWF-Chefin Christine Lagarde hat klargestellt, dass Griechenland keinen weiteren Zahlungsaufschub erhält. Auch die Verhängung von Beschränkungen im Kapitalverkehr, um einen weiteren Kapitalabfluss zu verhindern, ist im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen wahrscheinlich. Gerüchten zufolge sollte dies bereits für kommenden Montag diskutiert worden sein.

Nicht zufällig geißelte Griechenlands Finanzminister, Yanis Varoufakis, das Durchsickern von Informationen über die Lage des griechischen Bankensystems. Auch Ministerpräsident Alexis Tsipras kritisierte die „Terrorszenarien“, die verbreitet würden, und meinte, sie würden schnell widerlegt werden. Er zeigt sich trotz aller Probleme von einer Verhandlungslösung fest überzeugt.

„Schaden für die Gläubiger“

Sein Staatssekretär für Arbeit, Dimitris Stratoulis, goss inzwischen weiter Öl ins Feuer. Er meinte, bei einem eventuellen Austreten aus der Eurozone würde es zwar für die Bevölkerung „einige Monate Probleme“ geben, dann würde man aber rasch zum Wachstum zurückkehren. Für die Gläubiger wäre der Schaden im Fall eines Grexit aber weit größer.

Die Regierung hat in den vergangenen Monaten die Guthaben von Kassen und Gemeinden bei der Zentralbank angezapft und sich auf diese Art und Weise einen Devisenpolster zugelegt. Weitere Einnahmen lukrierte sie durch ein großzügiges Ratenzahlungsmodell für Steuerschuldner. Bei einem Zahlungsausfall gegenüber den Gläubigern könnten so zumindest für einen kurzen Zeitraum laufende Ausgaben wie Pensionen und Gehälter gedeckt werden.

Auch die staatlich verwaltete Hellenic Petroleum sorgt laut der Zeitung „Ta Nea“ bereits für einen Grexit vor. Sie hat dem Vernehmen nach die Versorgung mit Treibstoff für die kommenden neun Monate gesichert: Sechs Monate will das Unternehmen durch angelegte Vorräte und bereits geschlossene Importverträge abdecken – die folgenden drei Monate will es auf das Nachkriegsmodell des Tauschhandels zurückgreifen: Export von raffiniertem Treibstoff gegen Rohöllieferungen.

AUF EINEN BLICK

Geldprobleme. Der riskante Poker der griechischen Regierung im Streit mit den Kreditgebern führte gegen Ende der Woche zu einer heiklen Situation. Immer mehr Griechen hoben Bargeld ab – bis zu drei Milliarden am Tag. Freitagmittag musste in einer Krisensitzung des Vorstandes der Europäischen Zentralbank eine weitere Erhöhung der Notfallsliquidität (ELA) für Griechenland beschlossen werden. Damit liegt der Finanzierungsrahmen der Banken nun bei 87,6 Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2015)

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