Geldwäsche: Schlag gegen China-Mafia in Italien

(c) REUTERS (Kim Kyung Hoon)
  • Drucken

In Italien lebende Chinesen haben 4,5 Mrd. Euro aus kriminellen Geschäften in ihre Heimat geschleust. Peinlich für Peking: Im Visier ist auch die staatliche Bank of China.

Florenz/Wien. Zuerst war da nur ein vager Verdacht. Irgendwie passte etwas nicht zusammen: Italiens Wirtschaft liegt seit der Schuldenkrise in den Seilen, aber vielen der eingewanderten Chinesen in der Toskana geht es offenbar prächtig. Sie fahren Luxusautos und kaufen Immobilien in den besten Lagen von Florenz. In den kleinen Textilfabriken von Prato, dem „Chinatown“ Italiens, wird Tag und Nacht gearbeitet. Laut ihren Steuerbilanzen aber machen viele der fleißigen kleinen Unternehmer aus dem Reich der Mitte nur sehr magere Gewinne.

Das wunderte erst den Fiskus und später auch die Polizei. Vier Jahre lang haben die Ermittler in mühevoller Kleinarbeit ein gigantisches Geldwäschenetzwerk aufgedeckt. Nun hat die Florentiner Staatsanwaltschaft Anklage beantragt – gegen knapp 300 Chinesen, die allein zwischen 2007 und 2010 die stolze Summe von 4,5 Mrd. Euro außer Landes geschafft haben sollen. Heim nach China, wo sich die Spuren verlieren. Denn die dortige Exekutive verweigert jede Zusammenarbeit mit den Kollegen in Italien.

Dass dem italienischen Staat durch den Abfluss von Schwarzgeldern naturgemäß Steuern entgangen sind, ist noch der harmloseste der Vorwürfe. Denn was die Anti-Mafia-Staatsanwälte als Quelle der Reichtümer anführen, liest sich wie ein Streifzug durch das Strafgesetzbuch: Ausbeutung von illegal eingewanderten Arbeitskräften, Fälschung von Markenprodukten und Lederwaren, Schmuggel, Diebstahl und Zuhälterei. Dazu typisch mafiose Delikte: Damit Mitwisser ihre Schweigepflicht befolgen, sollen sie mit Drohungen eingeschüchtert worden sein.

Aber wie war die Kapitalflucht möglich, wo doch nach dem italienischen Geldwäschegesetz Überweisungen ins Ausland zu deklarieren sind? Und das schon bei kleinen Beträgen: heutzutage ab 1000 Euro, im betrachteten Zeitraum ab 2000 Euro. Ganz einfach: Der Abfluss erfolgte in Millionen von kleinen Tranchen von je 1999 Euro. Oft im Sekundentakt, durch Drücken einer Taste am Computer. Für den reibungslosen Ablauf sorgte eine Geldtransferkette aus Bologna, die einer chinesischen Familie gehört. Jede Filiale von Money2Money (M2M) wurde so zu einer kleinen, feinen Geldwäscherei.

Ganz so simpel lief es freilich nicht. Hinter jedem Überweisungsservice steht eine Bank, die auch kontrollieren muss, dass die Geldwäscheregeln nicht umgangen werden – was bei Millionen von „1999-Euro-Transfers“ zumindest naheläge. M2M, laut Staatsanwaltschaft eine „rein mafiose Struktur“, hatte einen Exklusivvertrag mit einem Institut in Mailand: dem italienischen Ableger der Bank of China. Vier der dortigen Manager stehen nun auf der Liste der Beschuldigten, darunter der Chef und sein Vize. Was die Sache politisch pikant macht. Denn das Institut ist nicht nur eines der größten der Volksrepublik, sondern auch in staatlicher Hand.

Chinesische Mauer des Schweigens

So wird die Mauer des Schweigens, auf die Italiens Polizei in China stößt, verständlich. Dabei ist Peking zurzeit schwer erpicht auf Justiz-Kooperationen mit westlichen Staaten. Das Regime hofft auf die Auslieferung von korrupten, geflohenen Beamten – eine aktuelle Priorität der chinesischen Politik. Auch mit Italien unterzeichnete man ein Memorandum. Aber in Sachen „Strom des Geldes“, wie das Ermittlungsprojekt in Justizkreisen heißt, beißen die Italiener auf Granit.

Schon die Identifizierung der 300 Absender dauerte Jahre, weil oft gefälschte Namen und Strohmänner dahinterstanden. Von den Empfängern in China weiß man nur, dass es zum Teil Einzelpersonen, zum Teil Firmen sind. Möglich, dass alles bei einem geheimnisvollen „Paten“ zusammenläuft. Der ermittelnde Staatsanwalt vermutet, dass mit dem überwiesenen Geld gefälschte Waren gekauft und zurück nach Europa geschmuggelt werden – ein Kreislaufsystem. In diese Richtung recherchierte vor zwei Wochen die US-Agentur Associated Press auf eigene Faust – und wurde fündig: Ein Teil der Gelder sei an eine große Import-Export-Firma in Wenzhou geflossen, jener Stadt, aus der die meisten chinesischen Italien-Migranten stammen. Gegen die Firma läuft ein Prozess in den USA. Sie soll zehntausende gefälschte Converse-Sneaker nach Amerika und Kroatien geschmuggelt haben. Ihr Eigentümer: eine Investmentfirma, die der Kommunalverwaltung von Wenzhou gehört. Was den Eindruck vermittelt, hinter dem „Strom des Geldes“ stehe von der Quelle bis zur Mündung Chinas Obrigkeit. Ob aber manche der Auswanderer das Mafiose nach Italien mitgebracht oder erst vor Ort erlernt haben, bleibt ein Frage für Kriminalsoziologen. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.