Grexit: Verwunderung über stabilen Euro

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Parallel zu ergebnislosen Krisengesprächen mit Griechenland wertete der Euro zuletzt wiederholt auf, das löste Erstaunen aus. Die meisten Prognosen sind jedoch pessimistisch.

Frankfurt. Während das Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion näher zu rücken scheint, steht die Gemeinschaftswährung vor ihrem zweiten Monatsplus gegenüber dem Dollar seit einem Jahr. Strategen nennen mehrere Gründe für ihre Widerstandsfähigkeit: Von Vermögensverwaltern ist die Rede, die sich von Anleihen und Aktien trennen und dabei Euro-Absicherungen aufgeben, aber auch von Optimismus über eine Einigung Griechenlands mit seinen Gläubigern in letzter Minute.

Auf längere Sicht bietet sich ein weniger rosiges Bild: Optionen zum Schutz gegen eine Abwertung des Euro sind so teuer wie zuletzt 2012. Ein Ausscheiden Griechenlands würde den Euroraum in unbekanntes Terrain befördern und möglicherweise die gesamte Währungsunion gefährden.

Eurobestände abgebaut

„Das Risiko eines Austritts Griechenlands ist nicht wirklich eingepreist“, sagte Eimear Daly, Devisenstratege bei Standard Chartered PLC in London. „Der Markt ist es leid, auf diese Schlagzeilen hin zu handeln, und dann ist da noch die Frage: Wie wettet man auf einen Euro ohne Griechenland?“

Ein Ausscheiden Griechenlands könnte auch den Status des Euro als globale Reservewährung beschädigen. In dieser Hinsicht ist seine Stellung durch die langfristige Abwertung ohnehin geschwächt. Im vergangenen Jahr haben die Notenbanken weltweit ihre Eurobestände so stark abgebaut wie noch nie. Mittlerweile macht die Gemeinschaftswährung nach Daten des Internationalen Währungsfonds nur noch 22Prozent der weltweiten Devisenreserven aus. Vor fünf Jahren, vor dem Ausbruch der europäischen Schuldenkrise, waren es noch 28Prozent.

In diesem Monat mit seinen ergebnislosen Krisengesprächen hat der Euro indes immer wieder aufgewertet. In der Vorwoche legte die Gemeinschaftswährung an drei von fünf Handelstagen zu und lag zum Wochenschluss mit 1,1352 Dollar 8,5Prozent über einem im März erreichten Zwölfjahrestief. Am Montagmorgen verbesserte sich der Euro zum Dollar weiter und notierte 0,2Prozent im Plus bei 1,1379 Dollar je Euro. Der Nachrichtenstrom aus Griechenland und Brüssel habe praktisch keinen Einfluss auf den Euro, sagte Ulrich Leuchtmann, Leiter Devisenstrategie bei der Commerzbank AG in Frankfurt.

Auf längere Sicht rechnen die meisten Strategen jedoch damit, dass der Euro seine vor zwei Jahren begonnene Talfahrt wieder aufnimmt, die ihn bislang um 13Prozent hat abwerten lassen. Die Commerzbank prognostiziert für das Jahresende einen Wechselkurs von 1,04 Dollar; Standard Chartered erwartet 1,03 Dollar. Der Aufschlag für Kontrakte, die zum Verkauf der Gemeinschaftswährung in drei Monaten berechtigen, gegenüber Kaufkontrakten stieg am Montag auf 2,9 Prozentpunkte, wie Bloomberg-Daten zeigen. Das ist die größte Differenz seit Juni 2012.

Devisenmarkt unbeeindruckt

Fürs Erste werde der Euro jedoch von Investoren gestützt, die Vermögenswerte aus der Region verkaufen und Absicherungen auflösen, mit denen sie sich gegen Verluste schützten, sagte Andreas König, Leiter Europäische Devisen bei Pioneer Investments in Dublin. Hedgefonds haben die Nettowetten auf einen schwächeren Euro gegenüber dem Rekordhoch Ende März um über die Hälfte zurückgenommen, wie Daten der Commodity Futures Trading Commission in Washington zeigen. Die Krise in Griechenland habe „offenbar niemand dem Devisenmarkt mitgeteilt“, schrieb Steve Barrow, Leiter G-10-Strategie bei der Standard Bank in London, in einer Studie vom 18.Juni. „Der Euro ist felsenfest.“ (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2015)

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