Schäuble zu Griechenland: "Chancen auf Einigung 50:50"

German Finance Minister Wolfgang Schaeuble And Portugal's Finance Minister Maria Luis Albuquerque News Conference On Strengthening Europe's Economy
German Finance Minister Wolfgang Schaeuble And Portugal's Finance Minister Maria Luis Albuquerque News Conference On Strengthening Europe's EconomyBloomberg
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Der deutsche Finanzminister besteht jedoch weiter auf eine harte Linie gegenüber Griechenland. Yanis Varoufakis spricht indes von "seltsamen Forderungen" der Gläubiger.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hält es für völlig offen, ob sich Griechenland und seine Gläubiger im Schuldenstreit in den nächsten Tagen noch einigen. "Ich kann nicht sagen, was das Ergebnis sein wird, es steht 50 zu 50", sagte Schäuble am Freitag bei einer Finanzkonferenz in Frankfurt. Er pocht dabei weiter auf eine harte Linie.

"Man darf keinem Mitgliedsstaat erlauben, ohne Grenzen Geld auszugeben und andere Mitgliedsstaaten dann dafür haften zu lassen", sagte Schäuble. Es stehe viel auf dem Spiel. Sollten die Märkte das Vertrauen in die handelnden Personen verlieren, würde das die Währungsunion zerstören. "Es gibt große Risiken. Deshalb ist es eine sehr schwere Entscheidung."  Er lehnt es ab, Griechenland im Schuldenstreit mit seinen Kreditgebern eine weitere Fristverlängerung zu geben. "Der 30. Juni ist der 30. Juni und nicht der 1. Juli", sagte Schäuble bei einer Konferenz in Frankfurt.

Tsipras informiert Merkel und Hollande

In der Griechenland-Krise muss nach den Worten von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem Samstagnacht eine Entscheidung fallen. Das Treffen der Euro-Finanzminister wird am Samstag nun bereits um 14.00 Uhr stattfinden und nicht erst um 17.00 Uhr, wie die Eurogruppe am Freitag erklärte. "Morgen muss es echt geschehen", sagte der niederländische Finanzminister in Den Haag. Wenn dann kein gutes Reformpaket auf dem Tisch liege, "ist es zu spät". Dijsselbloem verwies darauf, dass ein Deal noch von einigen nationalen Parlamenten gebilligt werden müsse, darunter von Griechenland und Deutschland. Auf die Frage, ob eine Einigung noch möglich sei, sagte der Sozialdemokrat zögernd: "Ja, das geht noch."

Im Falle einer Last-Minute-Einigung stellen die internationalen Geldgeber weitere Milliardenhilfen in Aussicht, wenn Griechenland die Reformauflagen in letzter Minute akzeptiert. Laut Unterlagen der Gläubiger-Institutionen, die an Bundestagsabgeordnete geleitet wurden, könnte das Hilfsprogramm bis Ende November verlängert werden. Dem von der Pleite bedrohten Land könnte bis dahin rund 15,3 Mrd. Euro zufließen. Die bisher für die Bankenrettung vorgesehenen Mittel sollen teilweise zur Finanzierung des griechischen Staates umgewidmet werden, wie aus dem Papier hervorgeht. Es werde zudem angenommen, dass "ein neues 3-Jahres-Programm" mit weiterer Finanzierung notwendig sei, heißt es in einer zweiseitigen vorläufigen Analyse zur Schuldentragfähigkeit des Landes.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel  hat die griechische Regierung aufgefordert, den Vorschlägen der internationalen Geldgeber des von der Pleite bedrohten Landes zuzustimmen. Die Gläubiger-Institutionen hätten Athen ein "außergewöhnlich großzügiges Angebot" unterbreitet, sagte Merkel am Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel. Vorher traf sie mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und mit dem französischen Präsidenten François Hollande zusammen. Das bestätigten Verhandlungskreise am Rande des EU-Gipfels. Tsipras habe dabei Unverständnis über die harte Haltung der Institutionen geäußert, die auf weiteren Sparmaßnahmen bestünden.

Varoufakis: "Seltsame Forderungen"

Bis zu einer erhofften Einigung zwischen Griechenland und der Eurozone gibt es trotz der immer prekärer werdenden Zeitknappheit zahlreiche Stolpersteine. Sollte die Eurogruppe in Brüssel zu keiner Lösung kommen und ein Grexit unausweichlich erscheinen, dürfte es jedenfalls am Sonntag noch einen Eurogipfel der Staats- und Regierungschefs geben.

Scheinbar unbeeindruckt von den hektischen Verhandlungen zeigt Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis weiter keine Kompromissbereitschaft. Sein Land sei noch immer mit Forderungen konfrontiert, die es nicht erfüllen könne, sagte Varoufakis am Freitag dem irischen Rundfunksender RTE. Dabei habe Athen alles getan, um den "seltsamen Forderungen" der Geldgeber entgegenzukommen.

Kapitalverkahrskontrollen bei Scheitern

Wie am Freitag am Rande des EU-Gipfels verlautete, wären die Folgen einer Nicht-Einigung derzeit kaum absehbar. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone (Grexit) ist ja formal in den Verträgen nicht vorgesehen. Auf alle Fälle würde es sich um einen bisher noch nie dagewesenen Präzedenzfall handeln, den auch die Währungsunion insgesamt eher fürchtet.

Als erster Schritt würde bei einem solchen Grexit Kapitalverkehrskontrollen kommen. Allerdings müsste dies der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in die Wege leiten. Der griechische Zentralbankchef und frühere Finanzminister Stournaras hätte solche Kapitalverkehrskontrollen zu beantragen, es liege dann an Varoufakis, ob er diese Entscheidung dem Parlament vorlegt und abstimmen lässt oder nicht. Unklar ist, wie es weiter geht, sollten keine Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden.

Griechen legen wieder Geld auf Konten

Überraschung hatte am ersten Gipfeltag das Verhalten der griechischen Bevölkerung ausgelöst. Nach Tagen vermehrter Geldabhebungen an den Bankomaten, die zu einer prekären Liquiditätssituation mancher Finanzinstitute in Milliardenhöhe führten, kam es auf einmal zu Kapitalzuflüssen. Offenbar herrschte auch in Griechenland selbst Hoffnung auf einen Deal mit der Eurozone, um endlich eine Lösung für die schwere Schuldenkrise zu erreichen.

In EU-Ratskreisen wurde davon ausgegangen, dass die Griechen bis rund um den 10. Juli noch zahlungsfähig sein dürften. Wie es dann konkret weiter geht, wenn die EZB die ELA-Nothilfen nicht mehr erhöht und Schuldentilgungsraten sowie die Auszahlung von Pensionen ansteht, für die offenbar dann kein Geld mehr vorhanden ist, ist nicht klar.

Derzeit hält die EZB einem Insider zufolge die Geldversorgung griechischer Banken noch weiter aufrecht. Der EZB-Rat habe die Vergabe von Notkrediten an die Institute erneut genehmigt, erfuhr Reuters am Freitag aus Bankenkreisen. Der Rahmen für die Hilfen von zuletzt rund 89 Mrd. Euro wurde jedoch wie an den beiden Tagen zuvor nicht ausgeweitet.

Eurogruppe braucht Einstimmigkeit

Obwohl mehrmals sowohl von der Eurogruppe als auch dem EU-Gipfel betont wurde, es könne kein weiteres Entgegenkommen gegenüber Griechenland geben, scheint sich doch abzuzeichnen, dass der Letztvorschlag der Institutionen mit einigen Wünschen Athens noch ergänzt oder kombiniert werden könnte. Wenn die Institutionen zu einer Einigung kommen, wird dieses Papier der Euro-Arbeitsgruppe vorgelegt, die dann wiederum den Finanzministern der Währungsunion dieses Dokument unterbreitet. Dem müsste dann am Samstag in der Sitzung der Eurogruppe auch Varoufakis zustimmen - es ist Einstimmigkeit erforderlich.

Eher nicht vorstellbar ist, dass ein einzelner Finanzminister eine Lösung mit Griechenland blockiert. In so einem Fall dürfte die Angelegenheit auf die Ebene der Staats- und Regierungschefs gehoben werden - also zumindest ein Euro-Gipfel die politische Entscheidung zu treffen haben.

Parlament in Athen gefordert

Auf alle Fälle läuft den Griechen die Zeit davon. Mit Dienstag kommender Woche endet das schon zweimal verlängerte Hilfsprogramm. Und selbst im Fall einer Einigung steht am Sonntag in Athen der nächste Stolperstein auf dem Weg. Das griechische Parlament muss einer Einigung zustimmen und dies ist nicht so sicher, weil sich einige Abgeordnete der Syriza-Partei von Premier Alexis Tsipras schon gegen weitere Konzessionen ausgesprochen haben. Dies wäre eine fast schon skurrile Situation, wenn nach einem halben Jahr Streit und einer Doch-Noch-Einigung mit der Eurozone diese Lösung von den Griechen selbst über den Haufen geworfen wird und ein selbst verursachter Grexit die Folge wäre.

(APA/dpa/Reuters)

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