Paraskevopoulos: "Die wollen nicht akzeptieren, dass Linke regieren"

28 06 2015 Berlin Deutschland GER ARD Talkshow Guenther Jauch Thema der heutigen Sendung Showdown im
28 06 2015 Berlin Deutschland GER ARD Talkshow Guenther Jauch Thema der heutigen Sendung Showdown imimago/Stefan Zeitz
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Theodoros Paraskevopoulos ist wirtschaftspolitischer Vordenker der Syriza-Partei. Er wirft Brüssel vor, mit Scheuklappen zu agieren.

Die Presse: Das war ja ein turbulenter Samstag. Wie haben Sie ihn erlebt?

Theodoros Paraskevopoulos: Ich war auf See, ich war fischen.

Und heute bereuen Sie, dass Sie fischen waren?

Nein, gar nicht.

Sie sind gar nicht besorgt, dass am Montag in Griechenland das Chaos ausbricht?

Als ich Samstagabend wieder an Land kam, war von Chaos nichts zu sehen. Auch am Sonntag war nicht viel los. Es scheint nicht, dass die Griechen das so sehr aufgeregt hat. Ich weiß natürlich nicht, was in den nächsten Tagen auf uns zukommen wird. Ich erwarte aber, dass in Brüssel ziemlich viel Druck gemacht werden wird. Dann könnte sich das Klima ändern.

Aber bis dahin nimmt es die Bevölkerung mit Gelassenheit?

Bisher hat die griechische Bevölkerung das Ganze mit sehr viel Ruhe aufgenommen.

Es kann sich aber auch um die Ruhe vor dem Sturm handeln. Etwa wenn morgen die Banken geschlossen bleiben.

Einfach ist das natürlich nicht. Aber bisher ist die Bevölkerung hinter der Regierung gestanden.

Bisher ist die Bevölkerung aber auch nicht vor leeren Bankomaten gestanden.

So wie ich das sehe, sind die Menschen in Griechenland eher trotzig als beunruhigt. Und obwohl eine Mehrheit einen Kompromiss mit den Geberländern möchte, unterstützt sie den Kurs der Regierung.

War dieser Schachzug von Tsipras, eine Volksabstimmung abzuhalten, Ihrer Meinung nach klug?

Es war kein Schachzug. Syriza hat bereits vorher angekündigt, dass sie das Volk befragen wird, wenn schwerwiegende Entscheidungen anstehen. Das hätten auch unsere Partner erwarten müssen.

Aber sie hätten es vielleicht etwas früher erwartet. Jetzt wirkt es wie ein Schachzug, um Zeit zu gewinnen.

Brüssel hat erst in diesen vergangenen Tagen ein Ultimatum gestellt. Die hätten das auch früher machen können. Das Referendum ist eine Antwort auf dieses Ultimatum.

Mit diesem Referendum hat die griechische Regierung de facto die Verhandlungen abgebrochen.

Nein, Griechenland hat die Verhandlungen nicht abgebrochen. Die Vorschläge der Regierung sind die Aufhebung des Ultimatums und weitere Verhandlungen.

Wie lautet überhaupt die Frage an das griechische Volk?

Akzeptieren Sie den Vorschlag der Institutionen, oder akzeptieren Sie ihn nicht?

Und wenn die Mehrheit Ja sagt und gegen die Regierung Tsipras stimmt?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass das passieren wird. Immerhin sind alle Parteien im griechischen Parlament gegen den Vorschlag aus Brüssel.

Das Geld aus Brüssel nehmen Sie an, die Forderungen also nicht.

Teilweise sind das Gelder, die uns die EZB und die anderen europäischen Länder schulden. Etwa vier Milliarden Euro aus Gewinnen, die die EZB aus dem Handel mit griechischen Anleihen erzielt hat. Dieses Geld ist immer noch nicht an die griechische Regierung überwiesen worden.

Das klingt aber relativ schräg, wenn ein Staat, der 350 Milliarden Euro Schulden hat, plötzlich den Spieß umdreht und meint, er sei der Gläubiger.

Sie stellen das nicht richtig dar. Wir von der Syriza haben immer gesagt, dass diese Kredite an Griechenland hinausgeschmissenes Geld sind. Das sind Kredite, die zur Rettung deutscher und französischer Banken gewährt werden. Und es wurde unter den vorherigen Regierungen ein Schuldenberg aufgetürmt, der niemals bedient werden kann. Davor haben wir immer gewarnt.

Dann müsste es ja in Ihrem Sinn sein, wenn jetzt Schluss ist, Geld hinauszuschmeißen.

Wir wollen eine Regelung, die es erlaubt, dass Griechenland wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, um die Kredite zu bedienen. Mit den Vorschlägen, die aus Brüssel, Berlin und aus einem Teil der österreichischen Regierung kommen, ist es unmöglich, dass das Land jemals seine Kredite bedient. Das sind Vorschläge, die das Land tiefer in die Rezession führen. Das werden wir nicht machen.

Was passiert, wenn den Banken und dem griechischen Staat das Geld ausgeht?

Die Gehälter und Pensionen sind für Juli schon bezahlt.

Nach dem Juli kommt der August.

Ich hoffe, dass wir uns bis dahin doch geeinigt haben. Sonst müssen wir andere Wege suchen.

Ihrer Meinung nach wird das jetzt eine etwas turbulente Woche, aber dann wird sich die Sache wieder beruhigen?

Sowohl der Präsident der Euro-Gruppe wie auch der französische Finanzminister haben gesagt, dass die Verhandlungen weitergehen können.

Sie haben zuletzt die Euro-Finanzminister scharf kritisiert . . .

. . . ich habe ihnen Inkompetenz vorgeworfen. Ich glaube nicht, dass es reine Inkompetenz ist, es sind vielmehr ideologische Scheuklappen. Sie wollen nicht akzeptieren, dass eine linke Regierung in einem europäischen Land regiert.

Aber in Frankreich und Österreich sind doch auch Sozialdemokraten in der Regierung. Österreichs Kanzler Faymann hat sogar Athen besucht und so seine Solidarität bekundet.

Ich würde Ihrem Bundeskanzler raten, mit Verlaub, ein ernstes Wort mit seinem Finanzminister zu sprechen.

Der griechische Finanzminister, Yanis Varoufakis, lässt seinem Kollegen via „Bild“-Zeitung seine Sicht der Dinge ausrichten. Ist das etwa ein Zeichen politischer Kompetenz?

Ich würde Herrn Varoufakis raten, so rechtsradikalen Zeitungen wie der „Bild“ keine Interviews mehr zu geben.

ZUR PERSON

Theodoros Paraskevopoulos gilt als wirtschaftspolitischer Vordenker der Syriza-Partei und ist mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras befreundet. Der 69-Jährige war Syriza-Geschäftsführer. Er hat in Deutschland Wirtschaft studiert und arbeitet auch als Übersetzer. So hat Paraskevopoulos die Werke von Thomas Mann ins Griechische übersetzt.

Der griechische Ökonom diskutiert heute auf Puls4 um 22.40 Uhr bei „Pro und Contra: Griechenland und Co.: Wird die EU zum Feindbild der Menschen?“ unter anderem mit dem deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn und Agenda-Austria-Direktor Franz Schellhorn. [ Imago ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2015)

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