Übernahmen: Auf Einkaufstour in Europa

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Investoren aus Nordamerika und Asien decken sich mit Unternehmen ein. Im Vergleich zum Vorjahr stieg das Transaktionsvolumen heuer um 57 Prozent.

Frankfurt. Europa kommt wieder in Mode als Ziel für ausländische Unternehmenskäufer. In der ersten Hälfte dieses Jahres ist das Volumen an Transaktionen, bei denen europäische Unternehmen das Ziel sind, auf 134,2 Mrd. Dollar angestiegen, wie Daten von Bloomberg belegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das ein Anstieg von rund 57Prozent. Wenn es so weitergeht, könnte es das stärkste Jahr für Fusionen und Übernahmen seit mindestens einem Jahrzehnt werden.

Größter Deal Syngenta?

Die heuer größte Transaktion war der 10,3 Mrd. Pfund (14 Mrd. Euro) schwere Kauf von O2, der britischen Sparte von Telefónica, durch Hutchison Whampoa. Dabei entstand der nach Kunden größte Mobiltelefonie-Anbieter Großbritanniens. Dieser Wert könnte übertroffen werden, falls Monsanto mit der geplanten Übernahme seines Schweizer Wettbewerbers Syngenta erfolgreich ist. Geboten wurden hier 45 Mrd. Dollar. Syngenta hat die Offerte aber zurückgewiesen.

Unternehmen außerhalb Europas schauen sich derzeit nach M&A-Transaktionen in der Region um, weil sie mehr Vertrauen in eine Erholung dort haben und die Bewertungen der Unternehmen geringer sind, wie Hernan Cristerna, Ko-Chef für Übernahmen und Fusion weltweit bei JPMorgan Chase, erklärte. „Wir befinden uns in der goldenen Ära für M&A. Was in diesem Jahr besonders auffällt, ist die nach Europa gerichtete stärkere Aktivität– sowohl aus Nordamerika als auch aus Asien.“ Europa liegt sogar noch vor den USA, wenn es um Käufer aus dem Ausland geht– trotz der Marktvolatilität wegen der Griechenland-Krise.

In der ersten Jahreshälfte gab es 605 Auslandsakquisitionen von nordamerikanischen Unternehmen mit einem Wert von insgesamt 106,1 Mrd. Dollar. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Rückgang von fast elf Prozent. Unternehmen aus den USA und Asien, die auf großen Barreserven sitzen, suchen nach Möglichkeiten, um außerhalb ihrer Heimatmärkte zu expandieren– und Europa ist eine Region, in der sie interessante Aktiva finden können, sagt Paulo Pereira, Partner bei Perella Weinberg Partners in London. Hinzu kämen die breite Verfügbarkeit billiger Finanzierungen sowie der Wille vieler Eigentümer, ihre Unternehmen nach der Erholung an den Aktienmärkten zu verkaufen. „Viele europäische Unternehmen hatten seit der Finanzkrise ein ,Zum Verkauf‘-Schild aushängen“, sagt Vikas Seth, Chef für M&A Europa/Naher Osten/Afrika und globale Schwellenmärkte bei der Schweizer Credit Suisse Group in London. „Doch erst seit Kurzem fühlen sich weltweite Käufer sicher genug mit Blick auf die Aussichten der Region– und sie nutzen die Lage aus, die eine einmalige Gelegenheit sein könnte, um strategische Aktiva hinzuzukaufen.“

Auch Großbritannien gefragt

Die zunehmenden, auf Europa gerichteten M&A-Aktivitäten „sind ganz besonders wahr für Großbritannien, das für viele Unternehmen aus der ganzen Welt– besonders aus Nordamerika– als Eintrittstür in die Region gesehen wird“, sagt Richard Sheppard, Leiter M&A in dem Land bei der Deutschen Bank. Das zeigte sich beispielsweise im Februar, als die US-amerikanische Ball Corp. die britische Rexam in einer Transaktion mit einem Wert von rund 5,5 Mrd. Pfund kaufte. Dabei entstand der weltweit größte Hersteller von Dosen für die Getränke- und Nahrungsmittelindustrie.

Nicht zuletzt ist es der starke Dollar, der seit Jahresbeginn zum Euro um mehr als acht Prozent zugelegt hat, der amerikanische Unternehmen dazu veranlasst, mit ihrem Geld in Europa auf Einkaufstour zu gehen. (Bloomberg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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