Tsipras stößt mit neuen Reformvorschlägen auf Skepsis

June 27 2015 Athens Greece PM Alexis Tsipras during the Extraordinary session at the plenary o
June 27 2015 Athens Greece PM Alexis Tsipras during the Extraordinary session at the plenary oimago/ZUMA Press
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Der griechische Ministerpräsident Tsipras hat einen neuen Vorschlag mit Nachbesserungen an die Gläubiger geschickt. Für den deutschen Finanzminister Schäuble sorgt der Brief aber "nicht für mehr Klarheit".

Ministerpräsident Alexis Tsipras schickte den Institutionen von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) einen weiteren Brief  mit Sparvorschlägen. Die Euro-Finanzminister dürften die Maßnahmen aber kaum akzeptieren, sagte ein Vertreter der Eurozone am Mittwoch. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble monierte, der Brief sorge nicht für mehr Klarheit. Für den späteren Nachmittag ist eine weitere Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister geplant.

Das jüngste Kompromissangebot hat EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nicht kommentiert. "Ich bin in ständigem Kontakt mit den griechischen und mit anderen Stellen", sagte Juncker am Mittwoch in Brüssel. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Verhandlungen mit der griechischen Regierung über ein neues Hilfsprogramm vor dem für Sonntag geplanten Referendum in dem Krisenland eine Absage erteilt. 

Tsipras bot den Chefs der Institutionen Zugeständnisse an. So sollten die Verteidigungsausgaben 2016 um 200 Mio. und 2017 um 400 Mio. Euro gekürzt werden. Der Steuerabschlag für die Ägäis-Inseln von 30 Prozent soll aber ebenso erhalten bleiben wie bestimmte Ausnahmen im Pensionssystem. Tsipras erläuterte in dem auf den 30. Juni datierten Brief, dass die Vorschläge Teil der Bitte um Verlängerung des um Mitternacht abgelaufenen Hilfspakets und des am Dienstag gesandten Antrags auf ein neues Programm des Euro-Rettungsfonds ESM seien.

Schäuble skeptisch

Das neue Angebot reicht nach den Worten von Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht aus. Ein zweiter Brief sei inzwischen eingetroffen, bestätigte er. "Der hat aber auch nicht für mehr Klarheit gesorgt", sagte Schäuble am Mittwoch in Berlin. Es gebe derzeit "keine Grundlage" für ernsthafte Verhandlungen. "Zunächst muss erst einmal Griechenland Klarheit schaffen, was es denn nun will", sagte Schäuble. Die Geldgeber seien offen für neue Gespräche. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) kündigte an, die drei Institutionen nähmen am frühen Nachmittag zu dem Vorschlag Stellung.

Anders als Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem oder die deutsche Kanzlerin Merkel strebt Frankreichs Finanzressortchef Michel Sapin noch vor der Volksbefragung am Sonntag eine Lösung an. "Unser Ziel ist es, wenn möglich vor dem Referendum zu einer Einigung zu kommen", sagte Sapin dem Radiosender RTL. Notfalls werde "bis zur letzten Minute" nach einer Vereinbarung gesucht, die Griechenland wieder Stabilität bringe.

Referendum wird abgehalten

Das umstrittenes Referendum werde die griechische Regierung einem Regierungsvertreter zufolge am Wochenende umsetzen. Die Volksabstimmung über die von den Geldgebern geforderten Reformenauflagen werde wie geplant am Sonntag stattfinden, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch von dem Insider.

Dazu wurde ein Internet-Portal mit Informationen zum Referendum eingerichtet. Die Seite ist auf Griechisch und Englisch verfügbar. Sie solle die Menschen im Land und die internationale Öffentlichkeit mit "präzisen" Informationen über die für Sonntag geplante Volksabstimmung versorgen, teilte das Büro von Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis am Mittwoch mit.

EFSF könnte Hilfskredite sofort fällig stellen

Am späten Dienstagabend bestätigte der IWF in Washington, dass Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro nicht nachgekommen ist. Bisher blieben beim IWF nur Entwicklungsländer wie Zimbabwe oder Sudan Zahlungen schuldig. Athen könne nun nur weitere IWF-Mittel bekommen, sobald die Rückstände ausgeräumt seien, erklärte der Sprecher des Fonds, Gerry Rice. Der IWF bestätigte zudem, dass Griechenland noch in letzter Minute gebeten habe, die Zahlung erst später leisten zu müssen.

Der Europäische Rettungsschirm EFSF sieht die Nicht-Zahlung der Kreditrate an den IWF als Zahlungsausfall für bestimmte EFSF-Kredite an. Als Konsequenz könnte die unverzügliche Rückforderung sämtlicher Zahlungen des EFSF an Athen sowie der Zinsen verlangt werden. EFSF-Chef Klaus Regling erklärte am Mittwoch, er werde die Euro-Arbeitsgruppe und das Direktorium des Rettungsschirms informieren und drei Optionen für die weitere Vorgangsweise vorschlagen. Eine sei die Forderung nach unverzüglicher Fälligstellung der Hilfskredite an Athen.

Griechische Industrie schrumpft deutlich

Um Mitternacht lief zudem das Hilfsprogramm der griechischen Euro-Partner aus. In einer hektischen Telefonkonferenz hatte die Euro-Gruppe wenige Stunden zuvor die Bitte der griechischen Regierung abgelehnt, das Programm bis über das Referendum hinaus zu verlängern. Damit ist Griechenland von Hilfen der internationalen Partnern so gut wie abgeschnitten. Lediglich die EZB hat den Geldhahn noch nicht ganz zugedreht, will aber im Laufe des Tages noch über den Rahmen von ELA-Notkrediten für griechische Banken entscheiden.

Der Kapitalverkehr in Griechenland ist bereits stark eingeschränkt. Zudem fehlen nun die eigentlich schon zugesicherten Milliarden bei der Bezahlung von Löhnen und Zinsen. Angesichts der Ungewissheit über den Verbleib des Landes in der Eurozone gerät auch die griechische Industrie immer stärker unter Druck. Ihre Produktion schrumpfte im Juni so stark wie seit zwei Jahren nicht mehr. Die Rating-Agentur Fitch stufte die Note für die langfristige Bonität Griechenlands um eine Stufe auf "CC" herab. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi betonte erneut, bei dem Referendum am Sonntag gehe es letztendlich um die Frage, ob Griechenland den Euro behalten wolle oder zur Drachme zurückkehre.

>> Brief von Tsipras

(APA/Reuters/red.)

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