Tsipras spaltet die Euroländer

Banks Open For Pensioners
Banks Open For Pensioners(c) Bloomberg (Kostas Tsironis)
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Mit einem Angebot, das die meisten Sparauflagen akzeptiert, gelang Athen eine Annäherung im Streit mit den Kreditgebern. Wohl auch, weil die Stimmung in der eigenen Bevölkerung kippt.

Brüssel/Athen. Noch ist sie nicht matt. Die griechische Regierung ändert ihre Position mehrfach am Tag, wird unberechenbar. Aber doch gelingt es ihr im Konflikt mit den Kreditgebern, taktische Schachzüge zu setzen. Am Mittwoch erreichte Ministerpräsident Alexis Tispras mit einem Brief an EU-Kommission, EZB und IWF, die Europartner in ihrer bisher einheitlichen Linie zu spalten. Er akzeptierte darin mit wenigen Ausnahmen die Spar- und Reformvorschläge der Gläubigerinstitutionen. Diese Einsparungen summieren sich nun auf acht Milliarden Euro.

Frankreichs Staatspräsident, François Hollande, drängte daraufhin auf eine Einigung mit Athen noch vor dem von Tsipras angekündigten Referendum am Sonntag. „Um es klar zu sagen, eine Vereinbarung muss sofort her.“ Deutschlands Regierung will hingegen die Abstimmung über die Sparauflagen abwarten, selbst wenn sich die Lage in Griechenland verschärfen sollte. Finanzminister Wolfgang Schäuble kritisierte, dass der Tsipras-Brief, in dem auch eine weitere Kredithilfe gefordert wird, keine Klarheit schaffe. Nach dieser Nachricht, warb Tispras erneut für ein Nein beim Referendum.

Das Centrum für europäische Politik (CEP), ein liberaler Thinktank in Freiburg, geht dennoch von einer Einigung aus. Wirtschafts- und Fiskalexperte Matthias Kullis: „Beide Seiten – Griechenland und die restlichen Eurostaaten – haben durch einen Grexit (Ausscheiden aus dem Euro, Anm.) viel zu verlieren. Auch für Deutschland steht viel auf dem Spiel.“ Die negative Äußerung Schäubles könnte bedeuten, dass Deutschland das Referendum tatsächlich abwarten möchte, bevor es über ein drittes Hilfsprogramm entscheidet oder dass das Angebot von Tsipras noch nicht ausreichend ist.

Stimmungswandel

Wenige Stunden nach dem Auslaufen des bisherigen Hilfsprogramms und den von Griechenland nicht mehr bedienten Schuldenrückzahlungen an den IWF hat sich die Stimmungslage zugunsten des Krisenlands verschoben. Österreichs Finanzminister, Hans Jörg Schelling, einer der Hardliner in den bisherigen Verhandlungen, sieht den Vorschlag aus Athen bereits nahe an jenem der Gläubiger und weist darauf hin, dass Griechenland jedenfalls Solidarität erwarten könne. Die EU-Kommission geht davon aus, dass noch bis zum 20. Juli eine Einigung mit Athen über eine weitere finanzielle Hilfe gefunden werden könne. An diesem Tag muss Griechenland 3,5 Mrd. Euro an die EZB zurückzahlen. Dies lässt aber offen, was mit den bereits säumigen IWF-Zahlungen geschieht. Bei den Beratungen der Euro-Finanzminister am Mittwochnachmittag wurde deutlich, dass selbst bei einer politischen Einigung die Organisation eines weiteren Hilfsprogramms Wochen dauern könnte. Die Euro-Finanzminister beschlossen, vor weiteren Beratungen das Ergebnis des Referendums abzuwarten.

In Griechenland selbst ist indessen ebenfalls ein Stimmungswandel spürbar. Die extremen Entwicklungen in den vergangenen Tagen mit den Einschränkungen im Kapitalverkehr, den Menschenschlangen vor den Bankomaten und dem faktischen Bankrott des Staates hat sie, die schweigende Mehrheit der griechischen Bevölkerung, geweckt. Rund 17.000 Menschen versammelten sich nach Schätzungen der Polizei in der Nacht auf Mittwoch auf dem verregneten Syntagma-Platz. Auch wenn Umfragen fast stündlich andere Mehrheiten voraussagen, forderten hier die meisten lautstark eine Zustimmung zum Sparprogramm der Kreditgeber sowie den Verbleib im Euro.

Der so schwer getroffene Mittelstand war zu sehen, Angestellte, Unternehmer, viele junge Leute. Neben den Pro-Europa-Parolen waren Sprüche in Richtung Regierung wie „Tretet zurück“ zu hören. Auch in dieser Menge gab es viele, die der Syriza-Regierung anfangs mit freundlicher Duldung gegenüberstanden. Doch für sie hat die Regierung ihr Guthaben verspielt, die Stimmung kippt, Sätze wie „Sie haben es vermasselt“ sind mittlerweile überall in Athen zu hören.

Griechische Geldhäuser bekommen derzeit noch weiter frisches Notenbankgeld. Die Europäische Zentralbank (EZB) genehmigte auf ihrer Ratssitzung in Frankfurt die sogenannten ELA-Notkredite an die Institute. Die Obergrenze für die Hilfen sei auf dem aktuellen Niveau belassen worden, sagte ein Sprecher am Mittwochabend auf Anfrage.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2015)

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