Griechenland: Dijsselbloem bringt Grexit ins Spiel

European Finance Ministers Meet As Greek Economic Deadline Falls
European Finance Ministers Meet As Greek Economic Deadline FallsBloomberg
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Bei einem "Nein" sei die Basis für Griechenland in der Eurozone sehr fraglich, sagte der Eurogruppen-Chef. IMF-Chefin Lagarde warf der griechischen Regierung Unvernunft vor.

Nach Ministerpräsident Alexis Tsipras hat auch Finanzminister Yanis Varoufakis angekündigt, bei einem "Ja" beim sonntägigen Referendum in Griechenland zurücktreten zu wollen. Nicht lange musste auf eine Reaktion aus EU-Kreisen gewartet werden. Für den Fall, dass die Bürger des Landes bei dem Referendum gegen die Sparforderungen stimmen sollten, hat Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem die Möglichkeit eines Ausscheidens der Griechen aus der Eurozone ins Spiel gebracht.

Bei einer "Nein"-Stimme gebe es nicht nur keine Basis für ein neues Hilfsprogramm, "sondern dann ist es sehr fraglich, ob es überhaupt eine Basis für Griechenland in der Eurozone gibt", sagte er am Donnerstag im Parlament in Den Haag. "Das ist die fundamentale Frage, um die es tatsächlich geht." Ein Ausstieg eines Landes aus dem Euro ("Grexit") ist rechtlich allerdings nicht vorgesehen. Dijsselbloem sprach von einer "äußerst ernsten" Lage.

Der Ausgang des Referendums wird bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Einfluss haben auf künftige Entscheidungen über Liquiditätshilfen für griechische Banken und deren Konditionen. Das machte EZB-Ratsmitglied Josef Bonnici am Donnerstag in Mailand deutlich. Der Wert der Anleihen, die griechische Banken als Pfand einreichen müssen, um an die sogenannten ELA-Nothilfegelder der Zentralbank zu kommen, "werde von der Entscheidung Griechenlands" abhängen.

IWF-Chefin: Tsipras soll sich "erwachsen" verhalten

Zuvor hatte die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, der linksgerichteten Regierung in Athen indirekt Unvernunft vorgeworfen. "Angesichts des Maßes an Unsicherheit, Verwirrung und ständiger Bewegung wäre aus meiner Sicht weiterhin ein bisschen mehr Erwachsensein erforderlich", sagte Lagarde am Mittwoch dem US-Fernsehsender CNN. Dass Griechenland gegenüber dem IWF in Zahlungsverzug geraten sei, sei "eindeutig keine gute Entwicklung". Schließlich hindere dies den Fonds derzeit daran, Griechenland weitere Hilfen zukommen zu lassen.

Voraussetzung für weitere Hilfen seien weitere tiefgreifende Reformen, wie der IWF und die EU sie von Athen gefordert hatten, hob Lagarde auf CNN hervor. "Das sind strukturelle Reformen, steuerliche Anpassungen, um sicherzustellen, dass das Land auf einem nachhaltigen Weg ist", fügte die IWF-Chefin hinzu.

IWF will "faire Lösung"

Die Mitgliedstaaten des IWF wollen laut Lagarde, dass die Krise und die derzeitige Unsicherheit beendet werden. Sie seien aber "auch sehr bedacht darauf, dass diese Angelegenheit auf eine faire Weise geregelt wird, und sie sehen keinen Grund, warum es einen Sonderfall oder eine Sonderbehandlung geben sollte". "Ob man nach Irland oder Portugal in der Eurozone schaut oder in andere Länder auf anderen Kontinenten, diese Situationen kommen vor, Länder müssen harte Maßnahmen ergreifen", mahnte Lagarde.

Zugleich zeigte die IWF-Direktorin Verständnis für die Nöte der griechischen Bevölkerung. Die von den Gläubigern geforderte stärkere Eintreibung von Steuern müsse vor allem bei den reichsten Griechen ansetzen. "Auf der anderen Seite muss natürlich ein soziales Sicherheitsnetz schrittweise aufgespannt werden", fügte Lagarde auf CNN hinzu. Trotz des Zahlungsrückstands der griechischen Regierung engagiere sich der IWF weiter für das Land - "das ist die Mission des Fonds".

Griechenland war in der Nacht als erstes Industrieland beim IWF in Zahlungsverzug geraten. Athen ließ die Frist für eine fällige Rückzahlungsrate von 1,5 Milliarden Euro verstreichen, hatte vorher aber einen Antrag auf nochmalige Verschiebung der Zahlungsfrist gestellt. Wie es aus Kreisen des Fonds hieß, wird darüber "in den kommenden Wochen" entschieden. Auch das Hilfsprogramm der EU ließ Athen am Mittwoch auslaufen. Weil es nicht auf die Forderungen der Gemeinschaft einging, verfielen somit Milliardenhilfen.

Unterstützung von Argentinien

Die griechische Regierung hat unterdessen Rückendeckung von der argentinischen Staatschefin Cristina Kirchner bekommen, deren Land 2001 in die Pleite gestürzt war. "Das, was das griechische Volk durchmacht, ist genau das Gleiche, was wir Argentinier 2001 durchgemacht haben: das Drama der schrecklichen, neoliberalen Politik der ständigen Anpassungen, die Elend, Hunger und Arbeitslosigkeit nach sich ziehen", sagte Kirchner am Mittwoch in Buenos Aires.

(APA/AFP)

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