Eiszeit: Medien trommeln nicht mehr für Tsipras

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Alle großen Tageszeitungen und Fernsehkanäle sehen die Euro-Mitgliedschaft in Gefahr und hoffen - anders als die Regierung - auf einen positiven Ausgang des Referendums. Das Klima verschlechterte sich schon im März.

Athen. Eine Schlacht hat Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras vom radikalen Linksbündnis Syriza, schon vor der Volksabstimmung zum Sparpaket der Gläubiger am 5.Juli verloren: den Kampf um die Gunst der Medien. Alle großen Tageszeitungen und privaten Fernsehkanäle sehen, im Gegensatz zu Tsipras, die Mitgliedschaft in der Eurozone in Gefahr, titeln mit Horrorszenarien: „Stunde null“, „Bankrott“ und „Angst vor Verlust von Sparguthaben“ sind nur einige der Aufmacher der letzten Tage. Nur das im Mai wieder auf Sendung gegangene staatliche Fernsehen ERT, die Parteizeitung von Syriza, „Avgi“, und die „Zeitung der Redakteure“, beide mit geringen Auflagen, halten die Fahnen der Regierung noch hoch.

Selbst Fernsehkanäle, die früher durchaus Sympathien für Tsipras gezeigt hatten, distanzierten sich angesichts des Bruchs mit den Gläubigern und der Sperrung der Banken – und müssen sich von prominenten Vertretern der Koalition den Vorwurf gefallen lassen, von wirtschaftlichen Interessengruppen manipuliert zu werden.

Das Tauwetter zwischen den Medienkonglomeraten und Syriza war schon vor der Ankündigung des Referendums einem zunehmend frostigen Klima gewichen. In den ersten Monaten der neuen Regierung blieb die konservative „Kathimerini“ zwar allein mit ihrer deutlich distanzierten Haltung – sind doch die Zeitungs- und TV-Unternehmen durch den Einbruch von Werbeeinnahmen und immens hohe Schulden von der Nachsicht der Regierung abhängig. Ende März 2015 stellten die Medienzaren fest, dass die Koalition Ernst machte mit ihren Ankündigungen, Ordnung in das chaotische Geflecht aus Medien, Politik und Wirtschaft zu bringen. Gerichtliche Untersuchungen zu unsauberen, ungedeckten Darlehensvergaben wurden eingeleitet, Benutzungsgebühren für Sendefrequenzen in Höhe von zwei Prozent des Umsatzes rückwirkend für die Jahre 2012 bis 2014 eingefordert.

Im März schließlich begann die Eiszeit: In der Zeitung „To Vima“ erschien ein Artikel, in welchem dem Staatssekretär für Verwaltungsreform unstatthafte Zusatzeinkünfte vorgeworfen wurden. Er klagte die Zeitung, die zur Gruppe Lamprakis (DOL), dem größten Medienunternehmen des Landes, gehört. Einige Tage später wurden von derselben Redaktion die Mieteinkünfte der Frau von Finanzminister Yanis Varoufakis unter die Lupe genommen.

Weniger nationale Lizenzen

Der für die Medien zuständige Minister Nikos Pappas setzt seinen Kurs unbeirrt fort: Er kündigte die Neuausschreibung der Sendefrequenzen an und will weniger Lizenzen vergeben. Das findet sich auch im Maßnahmenkatalog der Regierung an die Gläubiger-Institutionen wieder. Dies führt zur paradoxen Situation, dass Medien, die die Sparmaßnahmen mittragen, damit auch ihre eigene wirtschaftliche Existenz gefährden. (c.g.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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