Griechenland: Staatsrat erlaubt Referendum

A worker prepares a banner for upcoming pro-Euro rally near to Panathenean stadium in Athens
A worker prepares a banner for upcoming pro-Euro rally near to Panathenean stadium in Athens(c) REUTERS (MARKO DJURICA)
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Die Beschwerde gegen die Volksabstimmung wurde abgewiesen. Damit kann das Referendum über die Spar- und Reformforderungen wie geplant stattfinden.

Das Referendum in Griechenland über den künftigen Kurs in der Schuldenkrise kann wie geplant am Sonntag stattfinden. Das Oberste Verwaltungsgericht Griechenlands, der Staatsrat, wies am Freitagabend den Einspruch zweier Privatpersonen zurück und billigte damit die Abhaltung der Volksabstimmung. Das Gericht sah demnach keinen Verstoß gegen die Verfassung.

Die Antragsteller hatten die Annullierung des Referendums gefordert. Sie argumentierten, dass die Abhaltung der Volksabstimmung gegen die Verfassung verstoße, weil nicht über Fragen der "öffentlichen Finanzen" abgestimmt werden dürfe. Zudem sei die Fragestellung zu kompliziert und "technisch".

Die linksgeführte griechische Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras wirbt für eine Ablehnung der Gläubigerforderungen. In vielen Euro-Staaten wird das Votum de facto als Abstimmung über einen Verbleib Griechenlands in der Währungsunion betrachtet. Laut Umfragen zeichnet sich ein äußerst knapper Ausgang ab. Gegner und Befürworter der von den internationalen Gläubigern geforderten Spar-und Reformauflagen kamen am Freitag veröffentlichten Umfrage zufolge auf etwa gleich viel Stimmen. Rund zehn Prozent der Wahlberechtigten haderten noch mit der Entscheidung, die Griechenland aus dem Euro kippen oder die Regierung zum Rücktritt treiben könnte.

Proteste für und gegen Sparplan

In Athen gingen am Freitagabend Befürworter und Gegner der Sparpolitik jeweils zu Tausenden auf die Straße. Vor dem Parlament in Athen protestierten gegen die Sparpolitik und für eine harte Haltung der links-geführten Regierung gegenüber den Gläubigern des pleitebedrohten Landes. Gleichzeitig versammelten sich Tausende vor dem alten Olympiastadion, "Panathinaikon", und demonstrierten unter dem Motto "Wir bleiben in Europa" für den Verbleib in der Eurozone. Die Polizei hatte aus Angst vor Ausschreitungen starke Einheiten zwischen den beiden Kundgebungen im Zentrum Athens positioniert.

Bei der Abstimmung am Sonntag sollen die Griechen sagen, ob sie Forderungen der Gläubiger zustimmen oder sie ablehnen. Das Hilfspaket, zu dem diese Bedingungen gehören, ist allerdings am 30. Juni ausgelaufen und damit überholt. Dennoch gilt das Votum der griechischen Bevölkerung nach ergebnislosen Verhandlungen als wichtiges Signal für die zukünftige Kooperation des hoch verschuldeten Landes mit seinen Gläubigern.

Politisch geht es darum, ob Ministerpräsident Alexis Tsipras für seinen Verhandlungskurs noch Rückhalt hat. Die Regierung wirbt für ein "Nein", Tsipras hatte bei einem "Ja" seinen Rücktritt angedeutet. Finanzminister Yanis Varoufakis war deutlicher: Er würde sich eher "den rechten Arm abhacken lassen", als einem Programm zuzustimmen, das keine Umschuldung enthalte. Beide Politiker versprachen ihren Landsleuten, im Falle einer Ablehnung des Reformprogramms falle eine Einigung mit den Gläubigern in Zukunft günstiger aus.

Die Geldgeber lehnen Schuldenerleichterungen als Alternative zu Strukturreformen ab. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem stellte bei einem "Nein" zudem die Euro-Mitgliedschaft des Landes infrage. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kündigte an, günstigstenfalls würden Verhandlungen über neue Griechenland-Hilfen nach Auslaufen des letzten Programms "auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen" stattfinden. "Das wird schon eine Weile dauern", stellte der CDU-Politiker in der "Bild"-Zeitung (Samstag) klar.

Juncker warnt vor "Nein"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte die Griechen eindringlich davor, gegen die von den Geldgebern geforderten Reformen zu stimmen. "Wenn die Griechen mit Nein stimmen, wird die griechische Verhandlungsposition dramatisch schwach sein", sagte Juncker in Luxemburg. Der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wollte den Griechen dagegen keine Empfehlung für ihre Stimmabgabe geben. "Nein, die Griechen müssen selbst entscheiden, es ist ihre Zukunft, ihr Land", sagte der niederländische Finanzminister.

Die Europäische Zentralbank beobachtet die Entwicklung in Athen mit kritischem Blick. "Wir müssen die Aussichten für eine Einigung mit Griechenland und seinen Gläubigern bewerten", sagte deren Vizepräsident Vítor Constâncio. Die Frankfurter Währungshüter spielen in der Krise eine entscheidende Rolle, weil das griechische Bankensystem nur noch dank Nothilfen der Zentralbank funktioniert. Eine Ablehnung der bisherigen Vorschläge der Gläubiger durch die Wähler würde nach Constâncios Worten zudem eine Einigung mit den Gläubigern schwieriger machen.

Tsipras hatte die Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger überraschend vor knapp einer Woche angekündigt, was die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit dem hoch verschuldeten Land scheitern ließ. Das bisherige Hilfsprogramm für Athen lief am Dienstag aus, noch offene Milliardenhilfen verfielen damit.

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(APA/Reuters)

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