Scope: Rating-Zwerg gegen US-Dominanz

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FILE USA MOODYS(c) EPA (ANDREW GOMBERT)
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Standard and Poor's, Fitch und Moody's bestimmen den weltweiten Markt: Doch langsam etabliert sich in Europa das kleine Scope Ratings aus Deutschland.

Wien. Mit viel Ruhm haben sie sich nicht bekleckert: Noch kurz bevor in den USA der Immobilienmarkt implodierte und die ganze Welt in die Krise riss, vergaben Standard & Poor's (S&P), Fitch und Moody's reihenweise Bestnoten für die hoch riskanten Wertpapiere. Als eine Konsequenz forderten Politiker und Unternehmer in Europa mehr Unabhängigkeit von den drei US-Agenturen: Eine eigene europäische Ratingagentur sollte aufgebaut werden.

Doch bisher sind alle Bemühungen gescheitert, selbst die des deutschen Beratungsunternehmens Roland Berger. Ein Zwerg aber behauptet sich und wird langsam größer: Scope Ratings aus Deutschland, das mittlerweile Standorte in Berlin, Frankfurt, Paris, London und Mailand hat. „Das ist wie bei Airbus“, meint Florian Stapf, Leiter Business Development, im Gespräch mit der „Presse“. „Es dauert, bis man sich etabliert hat, aber dann sind alle froh, dass es eine europäische Einrichtung gibt.“

Aktuell hat Scope, gegründet von Florian Schoeller und im Mehrheitsbesitz der Familie Schoeller (Schoellerbank, Schoeller-Bleckmann), 75 Mitarbeiter. Das ist bei den Big Three gerade einmal eine einzelne Abteilung. S&P zum Beispiel hat knapp 10.000 Mitarbeiter.

„Wir haben dafür viele ausgezeichnete Europa-Experten, die wir von den drei großen Agenturen geholt haben“, erklärt Stapf, der selbst 14 Jahre lang bei S&P war. CEO von Scope ist beispielsweise Torsten Hinrichs, früher Chef von S&P in Deutschland. In der Niederlassung in London leitet Sam Theordore die Bank-Ratings, er hat 17 Jahre den europäischen Bankbereich bei Moody's geführt. Insgesamt bringe man „so viele Jahre Erfahrung zusammen, wie S& P alt ist“.

Das sei eine der wesentlichen Voraussetzungen, die die anderen europäischen Ratingagenturen nicht hatten und deshalb gescheitert seien. „Wir haben mit unseren Experten die notwendige Erfahrung, wir haben einen europäischen Ansatz, zielen also auf ganz Europa, und wir sind in allen Anlageklassen vertreten.“

Vor allem blicke man mit den Bewertungen in die Zukunft. „Ratings haben bisher meist die Vergangenheit widergespiegelt. Man hat das gesehen, als Banken zusammengebrochen sind, denen die US-Agenturen noch eine gute Note gegeben haben.“ Scope versuche, „mehr in die Zukunft zu schauen und zu beurteilen, wie sich eine Bank oder ein Unternehmen entwickelt“.

Scope Ratings bewertet derzeit Banken – darunter die 25 führenden Kreditinstitute Europas –, Unternehmen, Pfandbriefe, Fonds, Bundesländer, aber keine Staaten. Hier sei die Konkurrenz einfach zu groß, was auch Roland Berger erfahren musste. Man untersuche aber die Staaten etwa für die Ratings für Banken. Deshalb sei es möglich, „dass es sehr kurzfristig auch Staaten-Ratings von uns gibt“, erklärt Florian Stapf.

Amerikaner ohne Gefühl

Aber wie ernst nimmt man ein Rating von Scope und welches Gewicht hat es im Vergleich zu einer Bewertung durch eine der drei großen Agenturen? Stapf: „Die Politik, Unternehmen, die Industrie – alle haben eine europäische Ratingagentur gefordert, um das US-Monopol aufzubrechen.“ Nun liege es an den Unternehmen, europäische Bestrebungen zu unterstützen. „Man muss uns eine Chance geben, uns zu beweisen“.

Finanziell habe man den Atem, auch deshalb, weil jüngst die Unternehmerfamilie Quandt (Großaktionär bei BMW) mit knapp 20 Prozent bei Scope eingestiegen sei. Man plane, 2017 – vier Jahre, nachdem der Plan zur europäischen Ratingagentur mit damals zehn Mitarbeitern beschlossen wurde – den Break-even zu schaffen.

Die anhaltende Kritik an den US-Ratingagenturen auf dem Weg in die Griechenland-Krise, bewertet Stapf zurückhaltend. Politiker hatten den Unternehmen vorgeworfen, mit Abwertungen der Kreditwürdigkeit Griechenlands und anderer Staaten die Krise angeheizt zu haben. Manche sahen die Ratings als politisch motiviert. Die Entwicklung habe gezeigt, dass die Agenturen mit ihren Urteilen recht gehabt hätten, meint der Scope-Experte. „Unglücklich war das Timing und die Art und Weise der Kommunikation. Dafür hatten die Amerikaner kein Gefühl.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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