Ruhiger Auftakt bei Griechen-Referendum über Sparforderungen

Bloomberg
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Noch bis 18 Uhr können die Griechen wählen, ob sie die Spar- und Reformauflage der Gläubiger annehmen oder ablehnen.

In Griechenland stimmen die Bürger heute, Sonntag, in einem Referendum über die Annahme oder Ablehnung von Spar- und Reformauflagen ab. Dabei geht es um das letzte - inzwischen hinfällige - Angebot der Geldgeber aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB). Der Ausgang könnte auch über die Zukunft der Regierung von Alexis Tsipras entscheiden.

Tsipras warb am Sonntag erneut für ein "Nein" bei dem Votum. Von einem solchen Ergebnis werde die Botschaft ausgehen, dass die Griechen nicht nur in Europa bleiben, sondern in Würde dort leben wollten, sagte der Premier nach der Abgabe seiner Stimme in Athen. Europa werde zu Demokratie und Solidarität zurückfinden.

Warnung vor Ausscheiden aus Euro

Tsipras stimmt ab
Tsipras stimmt abREUTERS

Die Opposition und die europäischen Gläubiger warnten, ein Nein werde alles noch schwieriger machen und könne ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der Europäischen Union nach sich ziehen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warb klar für ein Ja.

Umfragen zufolge zeichnet sich ein knappes Rennen beider Lager ab. Tsipras hatte die Volksabstimmung zur Verärgerung der Geldgeber überraschend am Samstag vor einer Woche angesetzt. Die Verhandlungen gerieten danach in eine Sackgasse; noch zur Verfügung stehen Hilfsgelder in Milliardenhöhe für das von der Staatspleite bedrohte Land verfielen am Dienstag. Ohne neue Hilfskredite droht ein schneller Zusammenbruch der Banken und der Staatsfinanzen.

Keine schnelle Rettung

Varoufakis gibt seine Stimme ab
Varoufakis gibt seine Stimme abREUTERS

Das Votum der Bevölkerung gilt als wichtiges Signal für eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche. Mit einer schnellen Rettung können die Griechen jedoch kaum rechnen. Berlin dämpfte Hoffnungen der Regierung in Athen, zügig frische Hilfsgelder zu erhalten.

Über nennenswerte Zwischenfälle bei dem Referendum wurde zunächst nichts bekannt. Es gebe landesweit keine Probleme, teilte das Innenministerium in Athen mit. Die wichtigsten Politiker des Landes gaben in der Früh ihre Stimmen ab.

"Sieg der Demokratie"

Tsipras bezeichnete die Abstimmung als einen Sieg der Demokratie. Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras betonte hingegen: "Wir Griechen entscheiden heute über das Schicksal unseres Landes. Wir sagen ja zu Griechenland und ja zu Europa." Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos rief die Griechen zur Einheit auf. "Unabhängig vom Ausgang der Abstimmung werden wir den schweren Weg, der nach dem Referendum vor uns liegt, gemeinsam gehen müssen", sagte er.

Der Chef der aufstrebenden spanischen Protestpartei Podemos ("Wir können"), Pablo Iglesias, erklärte sich solidarisch mit der Regierung in Athen und warf den Geldgebern "Tyrannei" vor. Die Gläubiger versuchten den Menschen in Griechenland und auch in Spanien mit Drohungen Angst einzujagen. Er nahm damit Äußerungen des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis auf: "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", hatte der gesagt.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble schloss ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte jedoch vor den Folgen. "Selbst wenn wir eine solche Entwicklung finanz- und währungspolitisch bewältigen können, wäre das Signal eines Grexit an die Länder außerhalb der EU verheerend", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". China, Indien und die USA beobachteten genau, ob die Europäer diese Krise meisterten.

Schelling rechnet mit "Ja"

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), warf der Regierung Tsipras eine Mentalität des Alles-oder-Nichts vor. Er sei von dieser "ideologischen" Haltung "100 Prozent von Nichts ist mehr als ein Prozent von Etwas und wer ein Prozent von Etwas nimmt, ist ein Verräter an der hehren Sache" überrascht worden, sagte er dem Deutschlandfunk am Sonntag.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) rechnet mit einem Ja zu den umstrittenen Spar- und Reformauflagen. Das griechische Volk wisse, dass es nicht nur um die Zukunft des Euro gehe, sondern auch um die Zukunft Griechenlands, sagte Schelling gegenüber Medien.

Die internationalen Geldgeber, die Reformen im Gegenzug für weitere Hilfen verlangen, seien zu Verhandlungen bereit, bekräftigte Schelling: "Wir sind den Griechen sehr weit entgegen gekommen und unsere Hand bleibt ausgestreckt."

Die Griechen können noch bis 18.00 Uhr (MESZ) ihre Stimme abgeben. Erste Trends werden gegen 20.00 Uhr erwartet.

(APA/dpa/Reuters)

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