Griechenland: Die Folgen eines Neins

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epaselect GREECE ECONOMY CRISIS PROTEST(c) APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU (ORESTIS PANAGIOTOU)
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Mit 61,31 Prozent der Stimmen wurden beim Referendum am Sonntag die Vorschläge der Gläubiger abgelehnt. Premier Tsipras hat sich durchgesetzt. Wie geht es jetzt weiter?

Athen/Wien. Die Griechen haben ihre Schicksalswahl getroffen: Und es wurde ein Oxi, also ein Nein, zu den Spar- und Reformvorschlägen der Gläubiger. Bei dem Referendum am Sonntag haben laut offiziellem Endergebnis 61,31 Prozent der Griechen mit Nein gestimmt. Das wurde Montagfrüh mitgeteilt. Die Griechen unterstützten damit klar das Vorgehen der Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras im Schuldenstreit.

Unmittelbar nach dem Referendum hat Athen neue Verhandlungen mit den Geldgebern über die Sparvorgaben angekündigt. Die Gespräche sollten noch Sonntagabend aufgenommen werden. „Das Mandat ist klar. Ein neuer Versuch beginnt, für eine für beide Seiten günstige Einigung, als gleiche Partner und nicht als eine Schuldenkolonie“, so der griechische Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis.

Merkel trifft Hollande in Paris

Die griechische Regierung hatte ihre Bürger aufgerufen, die Spar- und Reformvorschläge der Gläubiger abzulehnen. Allem Anschein nach spielte die große Wahlkundgebung von Ministerpräsident Tsipras am Freitagabend auf dem Syntagma-Platz eine große Rolle. Dabei versicherte er den Zuhörern, dass bei einem Nein keine Gefahr bestehe, aus der Eurozone auszuscheiden. Tatsächlich dürfte ein Grexit aber seit diesem Sonntag zumindest nähergerückt sein: Die Opposition und die europäischen Gläubiger haben schon im Vorfeld gewarnt, ein Nein werde alles noch schwieriger machen und könne ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der Union bedeuten – obwohl das nicht die Fragestellung war.

Apropos Fragestellung: Die Wahlberechtigten stimmten am Sonntag über ein Angebot ab, das in der Form gar nicht mehr vorlag. So stand auf den Referendum-Zetteln: „Soll der Vorschlag, der von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds in der Euro-Gruppe vom 25. Juni unterbreitet wurde (...) akzeptiert werden?“ Aber in der Zwischenzeit, am 30. Juni, ist das zweite Hilfspaket schon ausgelaufen.

Tags darauf geriet Griechenland bereits in Zahlungsverzug beim IWF, weil es eine fällige Kreditrate von 1,5 Milliarden Euro nicht mehr überwiesen hatte. Was das Ergebnis vom Sonntag aber tatsächlich bedeutet, bleibt abzuwarten. Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, wird am heutigen Montag nach Paris reisen, um mit Frankreichs Präsident, François Hollande, über das Ergebnis zu beraten.

83 Prozent der Studenten für ein "Nein"

Die starke Polarisierung in Griechenland, ein absolutes Kopf-an-Kopf-Rennen, war bereits in den vergangenen Tagen absehbar. Noch am vergangenen Wochenende lag das Nein-Lager klar vor dem Ja-Lager. Doch das Sperren der Banken und die Einführung von Kapitalkontrollen haben zu Einbrüchen im Nein-Lager geführt und den Abstand bis zum Donnerstag schwinden lassen. Fanatische Befürworter für ein Nein hat Premier Tsipras offenbar laut Umfragen unter den Studenten gefunden: nicht weniger als 83 Prozent sind für ein Nein eingetreten. Die Jungen sind ob der verlorenen letzten fünf Jahre zu einer „zornigen Generation“ geworden und haben im Griechenland der Sparprogramme so gut wie keine Chance auf einen Job. Tsipras hatte die erste Volksabstimmung in Griechenland seit 1974 nach fünfmonatigen Verhandlungen überraschend angesetzt. (red./ag/c.g.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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