Müssen Sparer die griechischen Banken retten?

(c) Bloomberg (Konstantinos Tsakalidis)
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Athen dementiert kolportierte Pläne für einen Zugriff auf Sparguthaben, aber für IWF und Bundesbank sind einmalige Vermögensschnitte zur Staatssanierung kein Tabu mehr. Der „Testlauf“ in Zypern hat jedenfalls funktioniert.

Wien. Der Schock saß tief: Als die „Financial Times“ am Freitag über Pläne der griechischen Banken berichtete, „im Notfall“ auf Sparguthaben ihrer Kunden zurückzugreifen, waren die Dementis schnell heraußen. Finanzminister Yannis Varoufakis hat umgehend getwittert, es handle sich dabei um ein „bösartiges Gerücht“, Bankenverbandschefin Louka Katseli hat derartige Pläne ins „Reich der Fantasie“ verwiesen, die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA hat verlauten lassen, sie bezweifle stark, „dass irgendeine Behörde eines EU-Landes diese Option in Erwägung zieht“.

Griechenlands Ministerpräsident, Alexis Tsipras, hat betont, die Bankeinlagen seien sicher. Was die griechischen Sparer aber nur marginal beruhigte: Dessen Finanzminister hatte ja auch in der vorvorigen Woche verkündet, es würde keine Kapitalverkehrskontrollen geben, und die Banken würden offen bleiben – wenige Stunden, bevor die Banken geschlossen und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt wurden.

Die Pläne, die der „FT“ aus Bankenkreisen zugetragen worden sind, sehen vor, dass Banken, die in Schwierigkeiten geraten – in solchen stecken derzeit so gut wie alle griechischen Geldinstitute – „mindestens 30 Prozent“ von allen Sparguthaben über 8000 Euro einbehalten. Damit sollen Bankenpleiten abgewendet werden.

Zypern-Schnitt als Vorbild

Die vorderhand dementierten Pläne klingen nicht so unrealistisch: Der Mythos, dass Spareinlagen nicht angreifbar sind, ist spätestens seit der Zypern-Krise 2013 tot. Der Zugriff auf Spareinlagen war damals Teil des Sanierungskonzepts für die insolventen Banken des Pleitelands. Ursprünglich hätten alle Sparer vom ersten Spar-Euro an bluten müssen. Nach heftigen Protesten entschloss man sich dann, nur Einlagen über 100.000Euro anzugreifen. Diese aber ordentlich: Alle Spareinlagen über 100.000Euro wurden um saftige 47,5 Prozent geschnitten. Eine Vermögensabgabe, wie es sie bisher nur nach Kriegen gegeben hat, etwa in Deutschland und Japan nach dem Zweiten Weltkrieg.

Zypern war aber keineswegs eine einmalige Geschichte, wie man jetzt die griechischen Sparer zu beruhigen versucht: Der Zugriff auf Vermögen zwecks Entschuldung der finanziell ziemlich marode gewordenen Industriestaaten wird seit dem Ausbruch der Finanzkrise nicht nur von linken Zirkeln, sondern auch von eher marktwirtschaftlich orientierten internationalen Institutionen ernsthaft diskutiert.

Begonnen hat es mit einer Studie des renommierten Beratungskonzerns Boston Consulting, in der es heißt, man werde zu radikalen Maßnahmen greifen müssen, wenn – wonach es aussieht – die konventionellen Rezepte gegen das Anwachsen der Schulden nicht helfen. Konkret zu einer weltweit konzertierten einmaligen Vermögensabgabe, die an den Notwendigkeiten der einzelnen Länder bemessen werden sollte. Für Europa hieße das konkret, dass Vermögen, speziell die leicht erfassbaren Finanzvermögen, je nach Land zwischen elf und 36 Prozent „geschnitten“ werden müssten.

IWF diskutierte „Sparersteuer“

Dass das nicht realitätsferne Gedankenspielereien von gelangweilten Beratern waren, sondern durchaus reale Hintergründe hatte, bestätigte kurz darauf der Internationale Währungsfonds (IWF): Dieser schlug 2013 in seinem „Fiscal Monitor“ vor, die im Lauf der Finanzkrise stark angestiegenen Schuldenstände der Mitgliedsländer wieder auf das Vorkrisenniveau von 2007 zurückzuführen. Und zwar mit einer zehnprozentigen Abgabe auf alle Nettovermögen (Sparbücher, Wertpapiere, Immobilien, Gold etc. abzüglich Schulden). Unterdessen dürfte der benötigte Prozentsatz schon höher liegen, denn die Staatsschulden sind ja praktisch überall weitergestiegen.

Der IWF ist danach in der Öffentlichkeit zwar zurückgerudert und hat betont, es handle sich dabei nicht um einen konkreten Plan, sondern nur um „analytical work“, aber die Kuh war jetzt sozusagen offiziell aus dem Stall.

Ein paar Monate später bekam der Währungsfonds dann Unterstützung von unerwarteter Seite: Ausgerechnet die Deutsche Bundesbank philosophierte in ihrem Monatsbericht 2014 über das Thema „Einmalige Vermögensabgabe als Instrument zur Lösung nationaler Solvenzkrisen“. Die Bundesbanker können sich das allerdings nur als allerletzte Maßnahme vor der Insolvenz von Krisenstaaten vorstellen.

Das wäre wohl in Griechenland der Fall, wenn kein neuer Rettungsschirm aufgespannt wird. Dort haben jene, die wirklich etwas beitragen können, ihre Schäfchen allerdings schon ins Trockene gebracht: Die Einlagen bei den Banken sind innerhalb eines Jahres um fast ein Drittel gefallen. Das Geld ging überwiegend auf Auslandskonten. Finanziert wurde die Kapitalflucht übrigens von der EZB.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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