US-Schützenhilfe für Syriza

Greek PM Tspiras is received by Greece´s President Pavlopoulos in Athens
Greek PM Tspiras is received by Greece´s President Pavlopoulos in Athens(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Gegen den Willen der Europäer ließen die USA zwei Tage vor dem Referendum einen IWF-Bericht veröffentlichen, der Tsipras' Kampagne Rückenwind verleiht.

Washington. Am Donnerstag, um 16.33 Uhr mitteleuropäischer Zeit, plumpste ein schlichtes E-Mail in die elektronischen Briefkästen von Journalisten in aller Herren Länder. Die Presseabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF) gab bekannt, dass eine neue Analyse der Tragfähigkeit der griechischen Staatsschuld bereitliege.

Die Vertreter der europäischen Mitgliedstaaten im Fonds hatten noch am Mittwoch vergeblich versucht, diese Veröffentlichung so knapp vor dem sonntäglichen Referendum zu verhindern. Doch allen voran die Amerikaner machten Druck, das Papier zu verbreiten. Sie vertreten seit Ausbruch der Griechenland-Krise die Ansicht, dass mittels Schuldenschnitt rasch Tabula rasa gemacht werden müsse, um den Schaden für die Weltkonjunktur zu minimieren – vor allem, weil US-Banken schon vor dem Einspringen der Eurostaaten als Kreditgeber und der damit verbundenen Entlastung der privaten Kreditgeber kaum auf dem griechischen Markt tätig gewesen waren.

„Schwache Reformbemühung“

Das Papier war eine vernichtende Kritik an fünf Monaten griechischer Haushalts- und Wirtschaftspolitik unter dem linkspopulistischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und seinem rechtsextremen Koalitionspartner Anel. Als die Ökonomen des IWF im Mai 2014 zum bis dato letzten Mal den griechischen Schuldenstand untersuchten, habe es so ausgesehen, als führe das von IWF, Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission kontrollierte Programm aus Einsparungen, neuen Steuereinnahmen und wirtschaftlichen Strukturreformen dazu, dass der griechische Staat seine Verbindlichkeiten eines Tages wieder selbst bedienen könnte. „Ende Sommer 2014, angesichts weiterhin gesunkener Zinssätze, schien es, dass keine zusätzliche Schuldenerleichterung notwendig gewesen wären, wenn das Programm vom November 2012 so umgesetzt worden wäre wie beschlossen.“

Doch Ende Jänner kamen Tsipras' Partei Syriza und Anel an die Macht, und das warf den Reformzug von den Geleisen. „Signifikante Änderungen in der Politik seither – nicht zuletzt niedrigere Primärüberschüsse und schwache Reformbemühungen, die Wachstum und Privatisierung belasten werden – führen zu einem substanziellen neuen Finanzierungsbedarf“, heißt es in der Analyse. „Zusätzlich zu der extrem hohen bestehenden Schuld macht dieser neue Bedarf die Schuldendynamik untragbar.“

Tsipras hat sein Land also noch abhängiger von Wohlwollen und Zahlungsbereitschaft seiner ausländischen Geldgeber gemacht. Zumindest die Laufzeiten der bestehenden europäischen Darlehen müssten deutlich verlängert werden, während neue europäische Finanzierungen bereitgestellt werden müssten, um den hellenischen Staatsbankrott abzuwenden, befindet der IWF. Die griechische Regierung selbst beziffert diese Finanzierungslücke mit 50 Milliarden Euro für den Zeitraum vom heurigen Oktober bis Ende 2018. Würde das in der bisherigen Weise zwischen Eurozonenländern und IWF aufgeteilt, müssten die Europäer 36 Milliarden Euro beitragen, um Griechenland zumindest über die nächsten drei Jahre zu bringen.

Doch es könnte noch schlimmer kommen, warnt der IWF. „Wenn das gegenständliche Reformpaket noch stärker geschwächt wird – vor allem durch einen noch niedrigeren Primärüberschuss und noch schwächere Strukturreformen – werden Schuldenstreichungen notwendig.“ Die gesamten 53,1 Milliarden Euro an bereits nach Athen überwiesenen bilateralen Hilfskrediten wären mittels „Haircut“ abzuschreiben.

Ein selbsterfüllender Prophet

Dieses Dokument hält also fest, dass die Verweigerungshaltung der Syriza-Regierung die Lage ihres Landes verschlechtert und einen Staatsbankrott wahrscheinlicher gemacht hat: keine Feder, die man sich als Ministerpräsident an den Hut stecken möchte.

Dennoch nutzte Tsipras den IWF-Bericht (genauer: eine selektive und manipulative Auswahl von Teilen davon) am Freitag in einer per Fernsehen übertragenen Rede an seine Nation, um für seine letztlich siegreiche „Nein“-Kampagne zu werben. „Gestern gab es ein Ereignis von enormer politischer Bedeutung. Der IWF hat einen Bericht über Griechenlands Volkswirtschaft veröffentlicht, der eine große Rechtfertigung der griechischen Regierung ist, weil er das offensichtliche bestätigt: dass die Schuld nicht tragbar ist.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2015)

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