Juncker: "Niemand darf die Griechen hinauswerfen wollen"

European Commission President Juncker addresses the European Parliament during a debate in Strasbourg
European Commission President Juncker addresses the European Parliament during a debate in StrasbourgREUTERS
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EU-Kommissionspräsident Juncker will bis zum Schluss um einen Kompromiss kämpfen: "Wenn die EU aufhört, miteinander zu sprechen, gehen wir dem Ende der EU entgegen".

Zwei Tage nach dem Referendum in Griechenland kommen Spitzenpolitiker der 19 Eurostaaten in Brüssel zusammen, um Auswege aus der zugespitzten Schuldenkrise zu suchen.

  • Um 13 Uhr wollen die Euro-Finanzminister eraten, ob mit Athen über ein neues Hilfsprogramm verhandelt werden kann.
  • Um 18 Uhr treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten.

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem forderte die Regierung in Athen vorab dringend auf, konstruktive Vorschläge zur Lösung der Krise vorzulegen. Ohne klares Reformpaket sei ein Verbleib Griechenlands in der Eurozone "sehr fraglich", betonte der niederländische Finanzminister am Montagabend im Parlament in Den Haag.

Juncker: "Bin nicht abgetaucht"

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich Dienstag früh im Europaparlament in Straßburg erstmals zum griechischen Nein-Referendum geäußert. "Ich bin nicht abgetaucht", so Juncker unter Bezugnahme auf Medienberichte. Aber "es muss auch einmal erlaubt sein, nachzudenken, bevor man das Wort ergreift". Dass es heute noch eine Lösung geben wird, glaubt Juncker nicht.Er respektiere natürlich das Votum des griechischen Volkes. Er forderte aber gleichzeitig den griechischen Premier Alexis Tsipras auf, das Nein-Votum der Bevölkerung beim Referendum über die Spar-und Reformvorgaben der Geldgeber zu erklären. Denn, "was dem griechischen Volk vorgelegt wurde, war schon längst überholt. Deshalb muss Tsipras erläuteren, wozu die Griechen Nein gesagt haben. Der griechische Premier "muss das erklären".

Alle hätten sich redlich bemüht, "die Kommission mehr als andere. Hätten sich alle so wie die Kommission und ihr Präsident bemüht, wären wir heute nicht in der Lage, in der wir sind". Jedenfalls liege "der Ball liegt eindeutig im griechischen Lager".

"Europa ist ein permanentes Ringen um Kompromisse"

Jedenfalls sei er "gegen einfache Antworten. In Europa gibt es keine einfachen Antworten. Europa ist ein permanentes Ringen um eine Kompromisslösung". Auf alle Fälle "ist Griechenland eine große Nation, es darf nicht den Eindruck geben, dass man die Griechen aus der Währungsunion oder der EU hinauswerfe möchte. Niemand darf die Griechen hinauswerfen wollen", betonte der Kommissionspräsident. Deshalb müssten die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. "Wenn die EU aufhört, miteinander zu sprechen, gehen wir dem Ende der EU entgegen".

Es sei die "Stunde derjenigen gekommen, die mit Vernunft und Verstand, auch mit Herzblut, sich wieder an einen Tisch setzen". Er habe "sehr bedauert, dass die griechische Delegation den Verhandlungstisch verlassen hat. Das tut man nicht in Europa. Da verhandelt man bis zur letzten Millisekunde. Das hat die griechische Regierung nicht getan und das war ein schwerwiegender Fehler", sagte Juncker.

"EU-Parlament ist kein Papiertiger"

Juncker war zu Beginn seiner Rede mehrmals unterbrochen worden. Er lasse sich nicht den Mund verbieten, sagte er. Und das gelte auch für den Parlamentspräsidenten

Juncker bezog sich dabei auf die jüngste Kritik von EU-Abgeordneten an Aussagen von Schulz vor dem griechischen Referendum an, in denen er vor einem Nein gewarnt hatte. Der Kommissionspräsident sagte, er "fände es erstaunlich, dass sich in Sachen Griechenland und Zukunft der Eurozone jeder äußern darf, nur nicht der Kommissionspräsident oder der Präsident des EU-Parlaments". Dies sei eine "hirnrissige Vorstellung". Juncker: "Ich bin Schulz sehr dankbar, dass er sehr oft im Namen des EU-Parlaments, wenn auch nicht immer durch ein Mandat abgedeckt, das bin ich auch nicht immer, sich manchmal forsch, eindringlich oder erklärend in die Debatte eingemischt hat. Das EU-Parlament ist ja kein Papiertiger und der Präsident kein Teppichvorleger", empörte sich Juncker.

Banken bis Mittwochabend geschlossen

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Die griechischen Banken bleiben angesichts der schweren Finanzkrise noch mindestens zwei weitere Tage geschlossen. Die seit gut einer Woche geltende Regelung wurde bis Mittwochabend verlängert. Damit dürfen die Griechen weiterhin maximal 60 Euro am Tag an Bankomaten von ihren Konten abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur nach einer Genehmigung der Zentralbank möglich. Pensionisten, die keine Bankomatkarten haben, können in der Woche höchstens 120 Euro abheben. Ausländische Touristen sind von den Einschränkungen nicht betroffen.

Die griechischen Banken können Auszahlungen nur vornehmen, da sie Notkredite von der EZB erhalten. Diese teilte am Montag in Frankfurt mit, dass die Notkredite auf dem aktuellen Stand von knapp 90 Milliarden Euro gehalten werden. Die EZB passte zudem die Abschläge auf die von Athener Banken eingereichten Sicherheiten an. Kreisen zufolge liegen die Abschläge nun bei 45 Prozent.

(APA/dpa/AFX)

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