Neue deutsche Erbschaftssteuer: "Katastrophaler Kuhhandel"

(c) BilderBox
  • Drucken

Nach monatelangen Debatten hat die Berliner Regierung eine Reform der Erbschaftssteuer beschlossen. Herausgekommen ist ein hoch komplizierter Kompromiss. Die deutsche Wirtschaft läuft dagegen Sturm.

Wien/Berlin. Wenn zwei Großparteien, die ideologisch unterschiedliche Standpunkte vertreten, eine Regierungskoalition bilden, kommt bei vielen Reformen ein Kompromiss heraus. Das ist nicht nur in Österreich so, sondern auch in Deutschland. Nach monatelangen Auseinandersetzungen haben die deutschen Christdemokraten (CDU) und die Sozialdemokraten (SPD) eine Neugestaltung der Erbschaftssteuer beschlossen.

Denn der deutsche Bundesverfassungsgericht hatte im Dezember 2014 die derzeitige Regelung gekippt. Der linke Flügel der SPD und Gewerkschaftsleute forderten daraufhin höhere Einnahmen aus der Erbschaftssteuer. Doch die Wirtschaft und viele CDU-Abgeordnete lehnten das ab.

Der nun erzielte Kompromiss ist hochkomplex und stößt auf breite Ablehnung. Das Ganze sei ein „maximaler Murks“, schreibt die deutsche Zeitung „Die Welt“. Die Reform sei „so kompliziert ausgefallen, dass selbst Fachleute sie kaum verstehen“. Das „undurchsichtige Gesetzesmonster“ nütze vor allem Steuerberatern.
Der Verband der deutschen Familienunternehmen spricht von einem „katastrophalen Kuhhandel“ zulasten der Betriebe.

Beschlossen wurde eine mehrstufige Lösung. Kleine Betriebe mit bis zu drei Mitarbeitern können weitergegeben werden, ohne dass Erbschaftssteuer zu zahlen ist. Hat eine Firma vier bis zehn Beschäftigte, muss der Erbe nach fünf Jahren eine Lohnsumme von 250 Prozent des Ausgangsjahres oder nach sieben Jahren eine Lohnsumme von 400 Prozent nachweisen. Dann wird er von der Erbschaftssteuer zu 85 Prozent beziehungsweise zu 100 Prozent verschont. Für Unternehmen mit elf bis 15 Mitarbeitern gelten bei der Weiterführung Lohnsummenschwellen von 300 Prozent und 565 Prozent.

Hoch komplizierte Regeln

Komplizierter wird es für Firmen mit mehr als 15 Mitarbeitern. Liegt der Wert eines Betriebes – bezogen auf jeden einzelnen Erben – unter 26 Millionen Euro und kommt der Nachfolger nach fünf Jahren auf eine Lohnsumme von insgesamt 400 Prozent im Vergleich zur Ausgangslohnsumme, wird er zu 85 Prozent von der Erbschaftssteuer verschont. Für Firmen, die bezogen auf den einzelnen Erben mehr als 26 Millionen Euro wert sind, und für Familienbetriebe gibt es andere Regeln und Steuersätze.

Mit dem Kompromiss ist niemand so recht zufrieden. Teile der SPD, die Linke, die Grünen und Gewerkschaften kritisieren, dass es weiterhin zu viele Ausnahmen für Firmenerben gibt.

Die Wirtschaft sieht das anders. Mit der Reform werde die „Übertragung von Familienbetrieben erheblich erschwert“, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Auch der deutsche Industrieverband fordert Verbesserungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.