Panne an der NYSE: Börse schließt, kaum einer merkt's

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Die vierstündige Computerpanne an der berühmtesten Börse der Welt hatte aufgrund der sonst oft kritisierten Zersplitterung des Wertpapierhandels kaum Auswirkungen.

Washington. Wenn binnen weniger Stunden die New York Stock Exchange (NYSE), die digitale Ausgabe des „Wall Street Journal“ und die Fluglinie United Airlines aufgrund von Computerproblemen ihren Betrieb einstellen müssen, blühen rasch die Verschwörungstheorien – umso mehr, wenn die Hackerorganisation Anonymous am Vortag per Twitter kryptisch ihrer Hoffnung Ausdruck verleiht, die Wall Street möge einen schlechten Tag erleben.

Tatsächlich jedoch gibt es nach dem stundenlangen Ausfall der Computer der drei US-Unternehmen am Mittwoch keine Anzeichen für vereinzelte oder gar abgestimmte Angriffe von außen. United musste schon am 2. Juni aufgrund von Problemen mit seiner EDV einige Zeit lang sämtliche Flüge stornieren, die Startseite des „Wall Street Journal“ war zwar am Mittwoch lang nicht anwählbar, die einzelnen Artikel mit ihren konkreten Internetadressen hingegen schon, und die New Yorker Börse erklärte, der Grund für den vierstündigen Stopp des Wertpapierhandels sei ein eigenes technisches Problem. Die Wertpapieraufsichtsbehörde SEC sowie das Heimatschutz- und das Finanzministerium untersuchten das Geschehen, fürs Erste gaben sie keine Anzeichen für bösartige Hackerattacken bekannt.

Der Banken dunkle Teiche

Während der knapp vier Stunden von 11.30 bis 15 Uhr New Yorker Zeit, in denen die NYSE stillstand, ging jedoch der Handel mit den Aktien der Unternehmen, die an ihr notiert sind, fast ungestört weiter. Denn der Wertpapierhandel ist heutzutage vor allem in den USA dezentralisiert. Es gibt elf elektronische Handelsplätze, auf denen man Aktien kaufen und verkaufen kann. „Einer ging unter – und ich hatte zehn andere Orte, an die ich gehen konnte“, zitierte die „New York Times“ den Händler Ryan Larson von der Investmentfirma RBC Global Management.

Diese Zersplitterung verhindert bei Pannen wie jener vom Mittwoch eine Börsenpanik. Generell aber ist dieses Phänomen, das sich im vergangenen Jahrzehnt stark beschleunigt hat, sehr problematisch. Denn rund 40 Prozent des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens mit amerikanischen Wertpapieren erfolgen heute über sogenannte Dark Pools. Das sind abgeschottete private Handelsplätze, die von den großen Investmentbanken wie Credit Suisse und Goldman Sachs gegründet wurden, um diskret und ohne Beobachtung durch die anderen Marktteilnehmer (und die Aufsichtsbehörden) große Aktienpakete hin- und herzuschieben. Für die übrigen Investoren, allen voran Kleinanleger, ist das Geschehen in diesen dunklen Teichen der Banken zumeist nachteilig, denn sobald so ein Geschäft abgeschlossen und öffentlich vermeldet ist, schlägt es sich sofort auf den Kurs der Aktie durch; wer nicht mit den Wall-Street-Banken im Trüben fischen kann, kann seine Investitionsentscheidungen somit nicht auf allen zugänglichen Preisentwicklungen oder den nüchternen Ertragszahlen basieren.

NYSE nur mehr eine von vielen

Das Unternehmen NYSE, welches die wohl bekannteste Börse der Welt mit dem berühmten Gebäude an der Wall Street in Manhattan betreibt, ist heute jedenfalls nur mehr ein Spieler von mehreren. 24 Prozent des Handelsvolumens laufen über die NYSE, über die Konkurrentinnen von Nasdaq und BATS weitere 19 beziehungsweise 20 Prozent. Der Blick auf die Lage im Jahr 1997 verdeutlicht die Größe des Wandels: Damals liefen laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg News 80 Prozent aller Aktiengeschäfte über NYSE und Nasdaq.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2015)

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