Griechenland-Krise: Berlin hat gewonnen, aber an Image verloren

Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble.
Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble.(c) Bloomberg
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Die harte Haltung von Finanzminister Schäuble in der Griechenland-Krise mag Skeptiker in der CDU und CSU beruhigt haben. International musste Berlin dafür massive Kritik einstecken.

Brüssel/Wien. Angela Merkel versuchte, schlagfertig zu antworten: „An historischen Vergleichen beteilige ich mich nicht, insbesondere, wenn ich sie nicht selbst aufgestellt habe.“ Die Bundeskanzlerin wurde nach dem Ende der Verhandlungen mit Griechenland auf ein Zitat angesprochen, mit dem der französische Wirtschaftsminister, Emmanuel Macron, die harte Verhandlungslinie Deutschlands kommentiert hatte. Er sprach von einer Demütigung Griechenlands und verglich das Verhandlungsergebnis mit dem Vertrag von Versailles 1919. Damals wurde Deutschland und seinen Verbündeten die alleinige Verantwortung für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges zugesprochen. Berlin wurde zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen verpflichtet. John Maynard Keynes, der für Großbritannien verhandelt hatte und später als Wirtschaftstheoretiker in die Geschichte einging, trat aus Protest von seinem Amt zurück. Er warnte vor sozialem und politischem Sprengstoff in Deutschland.

Faymann sprach von „Demütigung“

Macrons Vergleich mag hinken – sowohl in der Dimension als auch in der Ursache. Aber er verbalisierte ein Unbehagen, das sich seit diesem Wochenende ausgebreitet hat. Sowohl aus den USA als auch aus mehreren europäischen Hauptstädten kam Kritik am deutschen Verhandlungskurs. Insbesondere der Vorschlag von Finanzminister Wolfgang Schäuble wurde kritisiert, über Griechenland entweder eine fünfjährige Auszeit vom Euro zu verhängen oder einen Treuhandfonds einzurichten, über den die Gläubiger Zugriff auf griechisches Staatsvermögen erhalten sollten. Beides fand sich dann auch in der vorbereiteten Schlusserklärung des Gipfels. Selbst Bundeskanzler Werner Faymann, der sonst gern auf die deutsche Linie setzt, sprach von einer „Demütigung“ Griechenlands.

Frankreichs Staatspräsident, François Hollande, zeigte sich über die Haltung Deutschlands verärgert. Den vorübergehenden Grexit konnte er mithilfe weiterer Regierungschefs aus dem Papier herausverhandeln. Der Treuhandfonds, der in Athen als tiefer Eingriff in die nationale Souveränität wahrgenommen wurde, aber blieb.

Schäuble wurde nach Ende der Verhandlungen vorgeworfen, er hätte eine persönliche Abrechnung mit den griechischen Syriza-Politikern betrieben. Doch seine umstrittenen Positionen dürften vor allem innenpolitische Hintergründe haben. In der CDU und erst recht in der CSU waren in den letzten Tagen Stimmen laut geworden, die jegliche neue Hilfe an Athen ablehnten. So hatte sich etwa Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich für ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro starkgemacht.

Die öffentliche Stimmung in Deutschland ist auf ein äußerst kritisches Griechenland-Bild umgeschlagen. Der „Spiegel“ versuchte, diese Entwicklung zu analysieren: „Gerade die Deutschen haben sich lange ein falsches, häufig verklärtes Bild von den Griechen gemacht. Das erklärt die Fallhöhe ihrer Enttäuschung.“ Freilich verstärkten Boulevardzeitungen wie „Bild“ mit hetzerischen Schlagzeilen – „Machen die Schummel-Griechen unseren Euro kaputt?“ oder „Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen“ – die negative Bewertung. Hätte Schäuble nicht derart hart verhandelt, gebe es keine Chance auf einen positiven Bundestagsbeschluss zum dritten Hilfspaket, hieß es am Montag.

Der deutsche Finanzminister war mit seiner Position freilich nicht allein gewesen. Er hatte seine Amtskollegen aus den Niederlanden, Finnland, der Slowakei und den baltischen Ländern hinter sich. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling sympathisierte zeitweise mit dieser Linie. Erst nach und nach formierte sich auch Widerstand – allen voran in Italien und Frankreich. Am Sonntag hatte sich der italienische Ministerpräsident, Matteo Renzi, zu Wort gemeldet. „Genug ist genug“, richtete er seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel aus. Verärgerung gab es auch in der EU-Kommission. Dort wurde die deutsche Position als kontraproduktiv dargestellt. Die besonders harte Haltung habe sogar eine Einigung gefährdet. „Tsipras hätte die meisten unserer Forderungen unterschrieben“, hieß es. Dann hätten die deutschen Positionen aber alles durcheinandergebracht.

In deutschen Regierungskreisen zeigte man sich über die eigene Rolle hingegen zufrieden. Mit Stolz wird darauf verwiesen, dass Deutschland nun also dieselben Erfahrungen mache wie die USA: „Man wird respektiert, aber nicht unbedingt geliebt.“

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2015)

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