China: Crash abgewendet, Reform auch

CHINA-STOCKS-INVESTORS
CHINA-STOCKS-INVESTORSEPA
  • Drucken

Der Börsencrash in China hat zu keinem Zusammenbruch der Gesamtwirtschaft geführt. Doch wird die chinesische Führung wichtige Finanzmarktreformen auf die lange Bank schieben.

Der Börsencrash in China stellt Griechenland in den Schatten“, „China vor dem Kollaps“ – die Katastrophenmeldungen aus Fernost klangen alarmierend. Nun aber, zwei Wochen nach dem heftigen Kursrutsch in Shanghai, zeigt sich das wahre Ausmaß der Schäden für die Wirtschaft. Sie sind: vernachlässigbar. Und auch für den Rest der Welt halten sie sich in Grenzen.

Die Börse hat nämlich in den vergangenen Monaten doch weit weniger Chinesen angezogen als vermutet. Laut der Europäischen Handelskammer in Peking gab es bis Mitte Juni 175 Millionen Depots. Wirklich spekuliert haben in den vergangenen Monaten aber etwa 30 Millionen – im Verhältnis zur Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden also ein geringer Teil. Auch mit Massen von Privatinsolvenzen ist daher nicht zu rechnen. Chinesen haben gerade einmal 13 Prozent ihres Vermögens in Aktien angelegt. In den USA sind es 56 Prozent.

Positive Aussichten. Doch selbst wer sich vom Börsenfieber hat anstecken lassen, gehört nicht per se zu den Verlierern. Um 150 Prozent ist der Markt binnen eines Jahres gestiegen. Um über 30 Prozent ist er seit dem Höchststand Mitte Juni gefallen. Durch drastische Staatsmaßnahmen haben sich die Kurse wieder leicht erholt. Wer also früh eingestiegen ist und in den Turbulenzen nicht verkauft hat, dessen Vermögen ist immer noch mehr wert als vor einem Jahr. Die Regierung habe sich zur Stützung des Marktes entschlossen, sagt Markus Ackermann, Analyst bei HSBC. „Daher ergeben sich positive Aussichten für Aktien.“

Zuvor hat die Furcht bestanden, dass der Börsenkrach das Bankensystem und die Realwirtschaft mit nach unten reißt. Vor allem in den USA ist dieser Konnex bei einem Börsencrash meist gegeben. Das hat damit zu tun, dass dort Börsengänge für viele Firmen die zentrale Quelle ihrer Finanzierung sind.

Auch die chinesische Führung strebt ein solches Finanzsystem an. Im Idealfall nämlich sorgt es für effiziente und wettbewerbsfähige Unternehmen. Doch so weit ist das kommunistisch geführte Land nicht. Dort werden die meisten Konzerne weiterhin vom Staat finanziell gepäppelt. Bis vor Kurzem war der Shanghaier Aktienmarkt noch komplett vom Rest der Welt abgeschottet. Seitdem hat die Regierung zwar eine Reihe von Kanälen geöffnet, die jedoch alle eines gemein haben: Sie sind weiterhin streng reguliert.

Reformer geschwächt. Mittlerweile können ausländische Investoren – vor allem Großbanken – in Shanghai immerhin mit Sonderlizenz handeln. Außerdem ist es seit heuer möglich, über die Börse Hongkong Shanghaier Aktien zu kaufen. Internationale Anleger sind jedoch bislang vorsichtig und behandeln den chinesischen Markt als das, was er ist: ein für Investments schwer berechenbares Schwellenland.

Bleibt als Fazit: Im Unterschied zur Subprime-Krise hat der Börsencrash China nicht mit nach unten gerissen. Zu befürchten jedoch ist, dass Chinas angestrebte Finanzmarktreformen nun auf der Strecke bleiben. Vor allem viele Staatsunternehmen gelten als unrentabel und müssen bezuschusst werden – was gigantische Schuldenlöcher in die Staatskasse reißt. Eine Liberalisierung der chinesischen Kapitalmärkte sollte diese Probleme beheben. Der Crash aber dürfte die Wirtschaftsreformer in der Regierung geschwächt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.