Die große Freiheit der Bits und Bytes

Karachi Economy Ahead Of Budget
Karachi Economy Ahead Of Budget(c) Bloomberg
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Die WTO feiert (endlich) einen Erfolg: Der Zoll auf 201 Hightechprodukte soll fallen. Smartphones, Navis und DVD-Player werden wohl billiger. Ganz einfach war es auch diesmal nicht.

Genf/Wien. Schon am Freitagmorgen überschlugen sich die internationalen Agenturen mit Jubelmeldungen: Die Welthandelsorganisation WTO erreicht ihren ersten wirklichen Erfolg seit Jahrzehnten – die Zölle für über 200 Hightechprodukte werden de facto abgeschafft. Konsumenten rund um den Globus könnten sich auf billigere Smartphones und Spielkonsolen freuen.

Doch es wäre nicht die WTO, wenn nicht auch dieser Durchbruch noch in einer Zitterpartie geendet wäre. Am frühen Nachmittag folgte bereits die Ernüchterung: Statt wie angekündigt in Genf zu verlauten, welche Produkte denn nun genau zollfrei gehandelt werden dürfen, musste die Organisation ihre Pressekonferenz kleinlaut absagen. Ein wenig werde es wohl noch dauern, bis auch die letzten Länder der finalen Produktliste zustimmen könnten, hieß es.

Handel 1,3 Billionen Dollar wert

Das Bild ist symptomatisch für die WTO, die seit Jahrzehnten daran scheitert, mit ihren Mitgliedern ein globales Welthandelsabkommen zu schmieden. Egal, wie optimistisch die Funktionäre im Vorfeld sind, in letzter Minute findet sich immer ein Land, das noch Ausnahmen für sich reklamiert und die Unterschrift verweigert. Die berühmt-berüchtigte Doha-Runde wurde bereits so oft totgesagt, wiederbelebt und wieder totgesagt, dass WTO Gefahr läuft, nicht mehr ernst genommen zu werden.

Doch diesmal hatte die WTO das Glück auf ihrer Seite. Mit einigen Stunden Verspätung konnte sie den angekündigten Handelsvertrag doch noch präsentieren. Das sogenannte „Information Technology Agreement II“ ist im Grunde die Neuauflage einer Einigung aus dem Jahr 1997. Damals zählten noch Disketten und Kassettenrekorder zu Hightechgeräten. Mit der Erneuerung des Handelspaktes sollen auch jene Produkte, die danach erfunden wurden, aufgenommen werden. Software, Spielkonsolen, Druckerpatronen, Ultraschall- und Navigationsgeräte oder Flash-Speicher für Smartphones sollen somit künftig zollfrei gehandelt werden.

Derzeit werden jährlich derartige Waren im Wert von 1,3 Billionen Dollar gehandelt. Das ist etwa so viel, wie weltweit mit dem Handel von Eisen, Stahl, Textilien und Kleidung umgesetzt wird. 54 Länder, darunter alle großen Hightechproduzenten, China, die USA und Europa, haben verhandelt. 26 weitere Staaten wollen die Ergebnisse übernehmen. Gemeinsam stehen sie für 90 Prozent des gesamten Handels in diesem Bereich. Bis zum nächsten Ministertreffen im Dezember in Nairobi soll der Zeitplan festgezurrt werden, dann kann der Pakt in Kraft treten.

Aber warum hat es so lang gedauert, um den alten Katalog an Hightechprodukten zu aktualisieren? Kurz gesagt: Weil viele Länder ihre eigenen Firmen schützen wollten. Indien hat sich deshalb gleich gar nicht an den Verhandlungen beteiligt. China, Taiwan, Japan und Südkorea stritten bis zuletzt darüber, welche Produkte künftig zollfrei gehandelt werden dürfen.

Chinas Angst vor den Nachbarn

Die Volksrepublik gibt im Moment Unsummen aus, um eine eigene IT-Branche auf die Beine zu stellen, und hatte Sorge, dass etwa TV-Flatscreens aus Südkorea oder digitale Autoradios aus Japan den chinesischen Herstellern gefährlich werden könnten.

Den Durchbruch brachte letztlich US-Präsident Barack Obama bei seinem vorjährigen Besuch in Peking. Die USA einigten sich damals bilateral mit China auf eine Erweiterung des alten Pakts aus dem Jahr 1997. Erst danach kehrte Peking an den Verhandlungstisch der WTO zurück. Ein weiteres Zeichen dafür, dass zwischenstaatliche Verträge der „großen Runde“ in der WTO zunehmend den Rang ablaufen.

Was bedeutet der Vertrag nun für Europa? Die europäische Industrie hat wenig Grund zur Klage. Sie exportiert jährlich Hightechwaren im Wert von 140 Milliarden Euro. Und die Konsumenten?

Hier ist das Bild etwas zwiespältig. Denn nicht nur China, sondern auch Europa kennt Protektionismus. Bei TV-Geräten und analogen Autoradios soll Brüssel Ausnahmen verhandelt haben, um die lokale Produktion zu schützen. Videospiele, Konsolen und DVD-Player sollten hingegen günstiger werden. Hier hebt die EU bis dato Zölle von 14 Prozent ein.

AUF EINEN BLICK

Zollfreiheit für Hightech. Nach jahrelangen Verhandlungen sollen die Zölle für weitere Produkte der Informationstechnologie fallen, was die Geräte wahrscheinlich billiger machen wird. Betroffen sind Waren im Wert von 1,3 Billionen Dollar(eine Billion Euro).

Langes Warten. Der am Freitag präsentierte Handelspakt ist das erste weltweite WTO-Abkommen über die Beseitigung von Zöllen seit 18 Jahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)

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