Elektroauto: Norwegens zweischneidiger E-Boom

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das skandinavische Land gilt als globaler Vorreiter der Elektromobilität. Der Boom ist aber durch Förderungen erkauft und brachte unter dem Strich mehr Individualverkehr.

Wien. Ein hoher Anschaffungspreis, schlechte Qualität, keine ordentliche Motorleistung und eine viel zu geringe Reichweite. Das sind die Vorurteile, die Elektroautos in der Regel entgegengebracht werden. Dass dem nicht so sein muss, beweist vor allem der US-Hersteller Tesla durch sein seit 2012 erhältliches Modell S. Dennoch fristet die Elektromobilität hierzulande nach wie vor ein Schattendasein. Per Ende 2014 waren 3386 Elektroautos in Österreich angemeldet. Von Jänner bis Juni 2015 sind 814 hinzugekommen. Ein Plus von 22 Prozent gegenüber 2013. Von den von Ex-Umweltminister Nikolaus Berlakovich einst für 2020 geforderten 200.000 Stück ist Österreich also noch weit entfernt.

Anders die Situation in Norwegen. Auch in dem Fünf-Millionen-Einwohner-Land gibt es das Ziel von 200.000 Elektroautos bis zum Jahr 2020. Dort ist jedoch eher die Frage, ob dieses Ziel nicht sogar früher erreicht werden kann. Rund 55.000 Elektroautos fahren bereits heute in Oslo, Trondheim oder Stavanger auf den Straßen. Jedes Jahr kommen Zigtausende hinzu. Jedes Fünfte in Norwegen neu verkaufte Auto ist ein Elektroauto. Mit 20.000 Neuzulassungen betrug die Steigerungsrate 2014 gegenüber dem Jahr zuvor stolze 100 Prozent. Just das skandinavische Land, dessen Reichtum sich auf den Ölfeldern in der Nordsee begründet, wurde dadurch zum globalen Vorreiter der Elektromobilität.

Förderungen als Anreiz

Doch während alle Welt anerkennend nach Norwegen blickt, sieht man die Situation im Inland deutlich differenzierter. „Es ist ein zweischneidiger Erfolg“, sagt Egil Otter vom norwegischen Autofahrerklub NAF, der auf Einladung des ÖAMTC in Wien war, im Gespräch mit der „Presse“. Sein Verein hat eine große Studie über Gründe und Auswirkungen des Elektroauto-Booms durchgeführt. Das Ergebnis: Erstens sei der rasante Anstieg vor allem auf eine Vielzahl von Förderungen zurückzuführen. Sobald diese wegfallen, sinkt auch die Bereitschaft der Bevölkerung, ein Elektroauto zu kaufen, rapide wieder ab. Und zweitens seien Elektroautos zwar umweltfreundlicher als konventionelle Fahrzeuge – vor allem in Norwegen, wo der Strom zu 99 Prozent aus Wasserkraft stammt. Allerdings sei die Substituierung von konventionellen Autos viel geringer als erwartet. „Oft ist es so, dass die Menschen vom öffentlichen Verkehr auf Elektroautos umsteigen. In Summe wird also mehr mit dem Auto gefahren.“

Mehr Autos, mehr Kilometer

Dies lasse sich einerseits an den Verkaufszahlen für konventionelle Fahrzeuge sehen. Obwohl knapp 13 Prozent der Neuzulassungen im Vorjahr bereits Elektroautos waren, habe es bei den benzin- und dieselgetriebenen Autos keine Rückgänge in den Verkaufszahlen gegeben. „Die Elektroautos sind also on top gekommen“, sagt Otter. So sei vor allem der elegante Tesla inzwischen ein richtiges Statussymbol. Und mit den zusätzlichen Autos sei auch die gesamte Kilometerleistung der Fahrer nach oben gegangen.

Doch es hat auch handfeste Gründe, warum Elektroautos in Norwegen so populär sind. Das wichtigste Argument sind niedrigere Kosten. Konventionelle Autos werden in Norwegen mit Steuern im Ausmaß von rund 150 Prozent des Nettopreises belastet, sagt Otter. Elektroautos sind sowohl von den Spezialabgaben als auch von der Mehrwertsteuer befreit. „Sie sind also oft billiger als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor.“ Zudem müssen sie keine Mauten bei Brücken oder Autobahnen bezahlen, dürfen in der Innenstadt gratis parken und durften bis Anfang Juni auch Busspuren nutzen. Seither müssen zumindest zwei Personen im Auto sitzen.

An diesen Förderungen hänge es aber auch, ob der Boom wie bisher weitergehe. So habe die Regierung anfangs gesagt, dass die Förderungen im Jahr 2017 auslaufen sollen – oder sobald 50.000 Elektroautos auf der Straße sind. „Dieser Moment ist zu Ostern eingetreten. Und plötzlich sind die Verkäufe von Elektroautos über Nacht stehen geblieben“, sagt Otter. Erst als die Regierung zusagte, die Förderungen bis 2017 weiterlaufen zu lassen, hätten die Menschen auch wieder E-Autos gekauft.

In Summe kommt die Studie zu dem Schluss, dass die Förderung von Elektroautos sinnvoll ist. Allerdings müsste bei manchen Vorteilen – wie der Nutzung der Busspuren – darauf geachtet werden, nicht noch mehr innerstädtischen Verkehr zu generieren. Und es müsse auch von Anfang an einen langfristigen Plan für die stufenweise Abschaffung der Förderungen geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2015)

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