Der Konzernchef mit den Schweißfüßen

„Der Wert des Geldes besteht darin, dass ich in meine Firma investieren kann.“
„Der Wert des Geldes besteht darin, dass ich in meine Firma investieren kann.“Die Presse
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Mario Moretti Polegato hat den Schuhhersteller Geox gegründet. Binnen 20 Jahren schuf er einen Weltkonzern.

Es gibt viele Arten, Milliardär zu werden. Die einen entwickeln Computersoftware, die anderen günstige Möbel. Dann gibt es jene, die auf Immobilientransaktionen setzen, und wieder andere werden mit sozialen Netzwerken reich. Mario Moretti Polegato tat nichts von all dem. Er widmete sich etwas Trivialerem: Schweißfüßen.

Geplant hatte der Unternehmer das nicht. Sein Konzern entstand durch Zufall. Heute ist die Firma Geox fast auf der ganzen Welt bekannt. „Als ich die atmungsaktive Sohle erfunden habe, dachte ich mir schon, dass das Thema groß werden könnte“, erzählt Polegato. Heute beschäftigt die Firma knapp 4000 Mitarbeiter. Im Vorjahr setzte sie 824 Millionen Euro um.

Geox, das steht für geo – die Silbe bedeutet auf griechisch Erde. Das X symbolisiert die Technologie.

Polegatos Leben nahm zunächst einen steten, ganz normalen Verlauf. Er studierte Rechtswissenschaften und besuchte als junger Mann die Fachschule für Önologie (Weinkunde). Dies dürfte wohl im Sinne seiner Familie gewesen sein, arbeitete sie doch selbst in diesem Metier. Auch Polegato sollte in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten, was er zunächst auch tat. Er leitete deren Weingut La Gioiosa, bis sein Leben eine unerwartete Wendung nahm. Ein Weinbaukongress im US-Bundesstaat Nevada brachte die einschneidende Veränderung mit sich. Die Wüstenhitze Renos trieb Polegato nicht nur Schweißperlen auf die Stirn. Auch seine Füße, so erzählt es die Legende, hatten kaum Luft zu atmen. Polegato fackelte nicht lange herum: Er zückte ein Messer und stach Löcher in seine Gummischuhsohlen. „Dabei habe ich nicht an künftige Erfolge gedacht“, sagt Polegato. „Große Ideen werden oft in Universitäten oder Laboren geboren.“ Bei ihm war es anders.


Firmen wollten Idee nicht. Zurück in seiner Heimat begann Polegato zu tüfteln. Der Italiener verpasste den Sohlen eine Membran, deren Funktion darin bestand, die Feuchtigkeit innerhalb des Schuhs zu regulieren. Eine Idee, die sich Polegato bald schützen ließ. Er wusste, warum.

80 Prozent der weltweit verkauften Schuhe besitzen eine Gummisohle. Was praktisch erscheint, hat auch einen Nachteil: Die Füße leiden unter mangelnder Luftzufuhr. Weil sich zusätzlich noch ein Drittel aller Schweißdrüsen dort befindet, ist die Lage also gleich mehrfach prekär.

„Ich habe versucht, die Technologie an große Firmen zu verkaufen, das hat aber nicht funktioniert.“ Ob mangelnden Interesses nahm er das Ruder selbst in die Hand. „Ich habe einfach fest an diese Idee geglaubt, weil sie aus meiner Sicht logisch und einfach war. Ich dachte, dass die Leute von ihr überzeugt sein müssen.“ Die Banken konnte Polegato für seine Idee gewinnen.

Zunächst feierte Geox erste Erfolge in Italien, dem noch heute wichtigsten Absatzmarkt. Anfang der Jahrtausendwende wurde das Unternehmen international. Praktisch binnen eines Jahrzehnts gelang Polegato der Aufstieg zu einem der ganz großen Schuhhersteller Europas. Und das, obwohl der Weinhandel sein ursprüngliches Steckenpferd war.

2004 folgte schließlich der Gang an die Börse. Den Großteil seiner Firma gab Polegato dabei nicht aus der Hand. Lediglich ein Drittel des Unternehmens bot er der Öffentlichkeit zum Kauf an. Auf dem Kapitalmarkt war der Schuhhersteller zunächst sehr erfolgreich, bevor der jähe Absturz kam. Die einst schönen Gewinne schmolzen im Verlauf der Zeit ebenso dahin. 2013 schlitterte Geox schließlich in die roten Zahlen. Mit dem heurigen ersten Halbjahr ist wieder Besserung in Sicht.

Was war schiefgelaufen? Je stärker die Zahl der verkauften Schuhe stieg, desto größer wurde der Kreis der Kritiker. Von nassen Füßen bei Regenwetter war da die Rede, von Händlern, die zuhauf Reklamationen ihrer Kunden beklagten. Geox-Schuhe waren für viele zum Reinfall geworden. „Wir sind wahrscheinlich zu schnell gewachsen. Deshalb haben wir eine bessere Qualitätsprüfung gebraucht.“ Geox hat daraus gelernt. Heute arbeitet das Unternehmen mit dem deutschen TÜV zusammen.

Doch mit dem anhaltenden Wachstum kam auch der Appetit auf mehr. Statt sich auf Schuhe für Kinder, Frauen und Männer zu konzentrieren, stellte Geox plötzlich Kinderbekleidung und Mode für Erwachsene her. Ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Man nahm seine Ambitionen zurück – und konzentriert sich nun wieder auf sein eigentliches Geschäft.

Auf 1,7 Milliarden Euro schätzt das US-Magazin „Forbes“ das Vermögen des Geox-Gründers. Sein Unternehmen hat ihn zu einem der reichsten Männer Italiens gemacht. „Ich hoffe, dass ich ein Beispiel für junge Leute bin“, sagt Polegato. Die Zukunft könne man nämlich nur mit guten Ideen gewinnen.

Der Gründer

Mario Moretti Polegato (62) stammt aus einer bekannten italienischen Winzerfamilie und hat den Schuhhersteller Geox im Jahr 1995 gegründet. Der Konzern ist für seine atmungsaktiven Schuhe bekannt.

Geox setzte im Vorjahr 824 Millionen Euro um. In den Geschäftsjahren 2013 und 2014 schrieb das Unternehmen allerdings rote Zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2015)

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