Finanzkrise: Puerto Rico provoziert US-Kongress

(c) Reuters (ALVIN BAEZ)
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Die Karibikinsel fordert mit der bewussten Nichtzahlung einiger Staatsanleihen Washington dazu heraus, ihr die Möglichkeit einer geordneten Staatsinsolvenz zu eröffnen.

Washington. Nach einem Jahrzehnt dauerhafter Rezession, der Auswanderung mehr als jedes zehnten Einwohners und des Anwachsens der Staatsschulden auf mehr als 73 Milliarden Dollar (67 Milliarden Euro) nähert sich die Haushaltskrise der Karibikinsel Puerto Rico einer Lösung. Am Montag hätte die staatliche puerto-ricanische Entwicklungsbank den Käufern von 20 ihrer Anleihen 58 Millionen Dollar an Kapital und Zinsen zurückzahlen müssen. Überwiesen hat sie nur den Zinsbetrag von 628.000 Dollar. Für den Rest habe das puerto-ricanische Parlament in seinem Haushaltsgesetz keine Bedeckung beschlossen, teilten Vertreter der Banco Gubernamental de Fomento para Puerto Rico mit.

Loch auf, Loch zu in San Juan

Kurz gesagt heißt das: Puerto Ricos Regierung hat nun offiziell nicht mehr genug Geld, um ihre Schulden vollständig zu bezahlen. Es ist das erste Mal seit mehr als 100 Jahren, dass diese östlich von Kuba gelegene Insel mit rund 3,5 Millionen Einwohnern ihre Zahlungsverpflichtungen nicht einhält.

Nach Ansicht der Kreditratingagenturen Moody's sowie Standard & Poor's wird das nicht der letzte puerto-ricanische Zahlungsausfall gewesen sein. „Wir glauben, dass dieser Zahlungsausfall schwere Liquiditätsprobleme anzeigt, womit Puerto Rico nun entscheiden muss, welche finanziellen Verpflichtungen es einhält“, erklärte Standard & Poor's in einer Aussendung.

Loch auf, Loch zu: Eine Staatsschuldenpolitik nach dieser Maxime ist klarerweise nicht von Dauer. Seit Jahresbeginn haben puerto-ricanische Schuldpapiere auf den Märkten bereits mehr als zehn Prozent ihres Werts verloren. Immer mehr Anleger lassen die Finger von diesen Anleihen, und es mehren sich Stimmen, die vor einem Versiegen des Marktes für puerto-ricanische Bonds warnen. Träte das ein, könnte sich die Regierung in San Juan ebenso wenig neu verschulden wie die vier staatlichen Energie- und Wasserversorger; dann gingen auf der 1898 von US-Truppen besetzten Insel nicht nur sprichwörtlich die Lichter aus.

Der Zahlungsausfall vom Montag ist allerdings weniger die unausweichliche Konsequenz der Überschuldung Puerto Ricos als der gezielte Versuch, diese Misere zu beenden. Denn Puerto Rico hat keine Möglichkeit, seine Gemeinden und Staatsunternehmen in ein geordnetes Insolvenzverfahren zu schicken. Seit 107 Jahren ist die Insel als „Commonwealth“, also als nicht inkorporierter Freistaat in die Vereinigten Staaten eingebunden; die Bürger sind zweisprachig, haben Anspruch auf US-Reisepässe und zahlen mit dem Dollar. Das Kapitel9 des US-Insolvenzgesetzes, in Anwendung dessen zum Beispiel vor zwei Jahren die Stadt Detroit ihren erdrückenden Schuldenberg von rund 19 Milliarden Dollar restrukturiert hat, gilt auf Puerto Rico jedoch nicht.

Washington muss entscheiden

Der US-Kongress wäre zuständig, das zu ändern. Doch die beide Kammern kontrollierenden Republikaner haben bisher keine Anstalten gemacht, die Geltung des US-Insolvenzrechts auf Puerto Rico auszuweiten. Finanzminister Jack Lew warnt davor, dass die puerto-ricanische Krise auch US-Bürger treffen werde. Denn der Großteil der 73 Milliarden Dollar an Schulden schlummert in steuerbegünstigten Fondssparplänen, mit denen die Amerikaner für ihren Ruhestand vorsorgen.

Ob der Kongress nun handelt, ist offen. Seit Dienstag und für den Rest des Monats sind die Senatoren und Abgeordneten jedenfalls auf Sitzungsurlaub.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2015)

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