Gesundheit: Medikamente, teurer als Gold

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Die Krankenkassen haben die Gespräche mit der Pharmaindustrie wegen Rabatten bei Medikamenten unterbrochen. Gibt es keine Einigung, muss der Gesetzgeber eingreifen.

Wien. Die Auseinandersetzung zwischen den österreichischen Krankenkassen und der Pharmaindustrie spitzt sich zu. Wie der Generalsekretär des Pharmaverbands Pharmig, Jan Oliver Huber, am Mittwoch der „Presse“ sagte, seien die Verhandlungen zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Pharmaindustrie über einen neuen Vertrag für Rabatte bei Medikamentenpreisen unterbrochen worden.

Kommt es zu keiner Einigung, sind die Auswirkungen weitreichend. Dann müsste die Regierung unter Umständen noch heuer mit einem Gesetz eingreifen. In Deutschland ist das schon passiert. Dort gibt es ein Gesetz, wonach die Pharmaindustrie den Krankenkassen bei bestimmten Medikamenten einen Rabatt von sieben Prozent gewähren muss. Zudem wurden die Preise für bestehende Arzneimittel eingefroren.

Die Pharmaindustrie lief dagegen Sturm. Die Regierung habe „Abschied von der Marktwirtschaft genommen“, hieß es. Das Gesetz führte dazu, dass Pharmakonzerne teilweise neue Medikamente gegen bestimmte Krankheiten in Deutschland nicht verkaufen. Ärger gibt es auch in anderen Ländern. In den USA verfassten jüngst hundert Ärzte von renommierten Spitälern ein Protestschreiben, weil die Pharmafirmen horrende Preise für neue Präparate gegen Krebs verlangen. Die Medikamente seien teurer als Gold, so ein Ärztevertreter.

Massive Preissteigerungen

In Österreich geben die Krankenkassen pro Jahr über drei Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Allein im ersten Halbjahr 2015 stiegen die Ausgaben laut APA um 8.5 Prozent. Das ist auch ein Grund, warum die Kassen heuer ein Defizit von voraussichtlich 137 Millionen Euro verbuchen werden. Im Vorjahr gab es noch ein Plus von 88 Millionen Euro. Um ein Gesetz wie in Deutschland zu verhindern, zahlen die Pharmafirmen seit 2008 den Krankenkassen einen Solidarbeitrag. Damit sollen diverse Kostensteigerungen abgegolten werden. Bislang wurden pro Jahr zwischen 18 Millionen und 30 Millionen Euro refundiert. Ende 2015 läuft der Vertrag über den Solidarbeitrag aus.

Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger verlangt ab 2016 mehr Geld. Dem Vernehmen nach geht es um 120 Millionen bis 150 Millionen Euro. Doch das Angebot der Pharmaindustrie liegt bei 70 Millionen Euro pro Jahr. Bei einem gesetzlich angeordneten Zwangsrabatt von sieben Prozent würden die Krankenkassen die von ihnen geforderten 120 Millionen bis 150 Millionen Euro bekommen.

Die Pharmaindustrie sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Ihrer Ansicht nach gibt es im österreichischen Gesundheitssystem noch viele andere Bereiche, bei denen man leichter und effizienter Einsparungen vornehmen kann. Ein Beispiel dafür seien Spitäler.

Auswirkungen auf Patienten

Der Streit um die teuren Medikamentenpreise hat Auswirkungen auf die Patienten. Ein Beispiel dafür ist Sovaldi des US-Pharmakonzerns Gilead. Damit können Menschen mit chronischer Hepatitis C behandelt werden. Die Heilungschancen liegen bei über 90 Prozent. Laut Angaben der Wiener Gebietskrankenkasse kostet allerdings die Therapie für einen Patienten rund 50.000 Euro. Es gibt sogar Fälle mit Gesamtkosten von 200.000 Euro. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, verglich jüngst den Preis von Sovaldi ebenfalls mit Gold.

In Österreich wird die Zahl der Hepatitis-C-Patienten auf 70.000 bis 80.000 geschätzt. Sie können nicht alle mit Sovaldi behandelt werden, weil das für die Krankenkassen zu teuer ist. Daher hat man sich in Österreich entschieden, nur jene Patienten zu behandeln, bei denen die Krankheit besonders weit fortgeschritten ist.

Die Ärzte müssen dann den Kranken erklären, dass ihre Leber vom Virus schon stark zerstört sein muss, bevor sie das rettende Medikament erhalten. Allein die Wiener Gebietskrankenkasse gab in einem Jahr 30 Millionen Euro für Hepatitis-C-Patienten aus.

Die Pharmafirmen kontern, dass die Entwicklung von neuen Medikamenten Milliarden koste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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