USA: Nur noch 42 Tage bis zur Zinswende

(c) Bloomberg (Andrew Harrer)
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Am 17. September wird die Federal Reserve den Leitzins leicht anheben – das gilt als praktisch fix. Dann gibt es zwei Wege: eine echte Erholung der Konjunktur – oder ein neuer Crash.

Wien/New York. Der Zins, das ist der „Preis des Geldes“. Der entsteht unweigerlich auf dem Markt: als Ergebnis von Kreditvergabe. Aber die Zentralbanken bemühen sich über die Steuerung des Leitzinses einen Trend vorzugeben – im Glauben, den Markt steuern zu können. Diese Leitzinsen können sich nach oben und nach unten bewegen, aber seit der Finanzkrise befindet sich die Welt in einem monetären Ausnahmezustand, wie wir ihn noch nie gesehen haben.

Die zumindest oberflächliche sichtbare Erholung der Wirtschaft – vor allem an den Aktienmärkten – basiert auf der dauerhaften Nullzinspolitik der US-Notenbank Federal Reserve nach dem Fast-Zusammenbruch des westlichen Bankensystems. Aber am 17. September, einem Donnerstag, will die Federal Reserve offenbar den größten Schritt seit sieben Jahren wagen: die groß angekündigte Zinswende. Davon sind die Märkte inzwischen überzeugter denn je, denn jetzt hat sich auch Dennis Lockhart dahingehend geäußert.

Nur 0,25 Prozentpunkte

Lockhart ist Präsident der Atlanta-Filiale der Federal Reserve. Die US-Zentralbank ist sozusagen als Public-Private-Partnership zwischen der US-Regierung und den privaten amerikanischen Großbanken organisiert. Die Regierung bestellt den Fed-Chef in Washington, die privaten Banken die regionalen Köpfe. Lockhart sieht den September-Termin als „angemessen“ – sollten sich die Daten der wirtschaftlichen Erholung in den USA seit 2008 bis dahin nicht massiv verschlechtern.

Sein Wort gilt viel an den Märkten, weil der Chef der Atlanta-Fed als „Zentrist“ innerhalb der Federal Reserve gilt – also weder als „Falke“, noch als „Taube“. Die Falken, das sind die Hardliner, denen der Zins gar nicht hoch genug sein kann. Bei den Tauben ist es umgekehrt: Sie argumentieren im Zweifelsfall immer für billiges Geld. Dass der Zentrist Lockhart jetzt auch den 17. September ins Auge fasst, ist der stärkste Hinweis bisher, dass die Fed tatsächlich bereits in 42 Tagen an der Zinsschraube drehen wird.

Laut Bank of America ist ein Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten zu erwarten – oder anders gesagt: der kleinst mögliche. Warum die Federal Reserve vorsichtig sein wird? Weil sie sich in unbekannten Gewässern befindet. Die Zentralbanken hören es gerne, dass sie auf die Liquiditätskrise des Jahres 2008 entschieden und rasch reagiert haben. Weltweit sind die großen Notenbanken der Fed auch dabei gefolgt, die Geldbasis durch sogenannte Quantitative-Easing-Programme um mehrere Billionen aufzublasen – auch um Inflation zu erzeugen. Die Warnungen der Falken, dass diese Inflation außer Kontrolle geraten könne, haben sich ebenfalls – zumindest noch – nicht bewahrheitet. Es scheint also alles nach Plan zu laufen. Aber wie werden die Märkte auf den Zinsschritt reagieren?

So wie damals 1937?

Als die Fed den Taper, die Einstellung von Quantitative Easing angekündigt hat, sind sie abgestürzt. Auch nach Lockharts Wortmeldung sind sie erstmal abgestürzt – nur um sich kurz darauf daran zu erinnern, dass der Zins auch nach einem kleinen Schritt weiter extrem niedrig bleiben wird. Die entscheidende Frage ist wohl: Wie stark haben die Eingriffe der Notenbanken den Markt seit 2008 verzerrt? Haben sie eine Blase erzeugt, die nun zu platzen droht? Oder sind die größtenteils positiven Daten aus den USA tatsächlich ein Schritt in Richtung wirtschaftlicher Normalität? Eines ist sicher: Die übrigen Zentralbanken werden wohl nicht sofort folgen. Die EZB hat ihr eigenes Quantitative-Easing-Programm erst in diesem Jahr begonnen.

Und ausgerechnet die EZB ist schon einmal selbst daran gescheitert, die Zinswende einzuleiten: 2011, als Jean-Claude Trichet den Leitzins kurz anhob. Wer Beispiele in der Geschichte der Fed sucht, muss bis zur Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre zurückschauen. Damals waren die Zinsen auch jahrelang auf dem Nullpunkt, bevor die Fed zwischen August 1936 und May 1937 in drei Schritten die Zinsen auf bis zu 0,7 Prozent anhob. Das Ergebnis war ein neuer Zusammenbruch des Aktienmarktes – und neue Zinssenkungen der Fed.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2015)

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