China: Der Riese schwächelt

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Fast alle Konjunkturdaten im Juli sind schwächer als erwartet. Die enttäuschenden Verkaufszahlen lassen auch die europäischen Autohersteller zittern.

Die Serie enttäuschender Konjunkturdaten aus China setzt sich fort. Schwache Juli-Zahlen erhöhen den Druck auf die Regierung in Peking, weitere Schritte zu ergreifen, um einen noch schärferen Rückgang der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft hinter den USA zu verhindern. Chinas Wirtschaft hat im Juli in fast allen Bereichen geschwächelt und damit die Sorgen vor einem immer stärker nachlassenden Wachstum geschürt. Industrieproduktion, Anlageinvestitionen wie auch der Einzelhandel schnitten nach Angaben des Statistikamtes vom Mittwoch schlechter ab als erwartet.

Nun hat die chinesische Notenbank die Landeswährung Yuan bereits abgewertet, um den heimischen Exporteuren das Leben zu erleichtern. Zuletzt waren die Ausfuhren des Exportweltmeisters überraschend stark um 8,3 Prozent gefallen. Die erneute Abwertung lässt die Märkte erzittern. An den Aktienbörsen in Europa und Asien ging es am Mittwoch ordentlich bergab, auch die Rohstoffpreise gerieten ins Rutschen.

Industrie wächst nur um sechs Prozent

Das Wachstum der Industrieproduktion hat sich in der Volksrepublik im Juli auf 6,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat abgeschwächt. Im Juni lag das Plus noch bei 6,8 Prozent. Ökonomen hatten lediglich einen Rückgang auf 6,6 Prozent vorausgesagt. "Diese Art von Daten untermalen nur die negative Einschätzung, die jeder über die Wirtschaft hat", sagte Louis Kuijs, Chinas Chefökonom der Royal Bank of Scotland. Damit werde es sehr schwer, das offizielle Ziel von sieben Prozent Wachstum in diesem Jahr zu erreichen - bereits dies wäre das schlechteste seit einem Vierteljahrhundert. Experten gehen angesichts der jüngsten Daten davon aus, dass es 2015 möglicherweise nur für 6,5 Prozent reicht.

Auch die Anlageinvestitionen - etwa in neue Fabriken - fielen zuletzt schwächer als erwartet aus. Sie legten von Jänner bis Juli um 11,2 Prozent zu. Das ist das geringste Plus seit fast 15 Jahren. Experten hatten mit 11,5 Prozent gerechnet. Der Einzelhandel meldete ein Umsatzplus von 10,5 Prozent für Juli, womit die Prognose von 10,6 Prozent knapp verfehlt wurde.

Autobauer zittern

Der weltweit größte Automarkt China treibt Herstellern wie Volkswagen (VW), BMW oder Ford zunehmend die Tränen in die Augen. Die Autoverkäufe gingen um 7,1 Prozent zurück, obwohl Händler Preise senkten und andere Rabatte boten. Die Wirtschaft schwächelt, die Aktienkurse sind im Sinkflug, und immer mehr Chinesen schrecken vor dem Kauf eines Pkw zurück. Um ihre Verkaufszahlen anzutreiben, räumen Hersteller Rabatte ein. Das drückt die Margen, doch der Nachfragerückgang scheint nicht zu stoppen.

Im Juli verzeichnete der Branchenverband den stärksten Absatzrückgang seit zweieinhalb Jahren. Seit nunmehr vier Monaten in Folge sinken die Verkaufszahlen - so schlimm stand es um den Automarkt zuletzt während der Finanzkrise 2008. Und schon längst trauern nicht mehr bloß die Oberklasse-Autobauer den einst üppigen Renditen nach. Der Nachfragerückgang ist mittlerweile auch im Massenmarkt angekommen.

Reisen wird teurer

Auch die Kauflaune der chinesischen Reisenden, von der europäische Unternehmen wie LVMH, Gucci, L'Oreal, Swatch oder Burberry profitieren, könnte mit der Abwertung der heimischen Währung Yuan einen Dämpfer erhalten - und mit ihr die gesamte Luxusgüterindustrie.

Mehr als 100 Millionen Chinesen verreisen jedes Jahr ins Ausland, und sie kaufen so viele Luxusgüter wie sonst keine Nation. Doch das könnte sich ändern, sollte der Yuan weiter einbüßen. "Ich hatte eine Reise mit meinen Freunden nach Seoul diesen Monat und alleine nach Thailand im Oktober geplant. Aber ich bin besorgt, dass sich der Yuan weiter abwertet", sagt Xuechang Huang, eine 48-jährige Hausfrau aus Guangzhou. "Ich werde wohl nicht nach Seoul zum Einkaufen reisen, sondern nur nach Thailand für eine Besichtigungstour." Ladenbesitzerin Huang Ruifen will auch abwarten. "Ich höre mit dem Kauf von Luxusgütern auf, bis der Yuan wieder steigt."

Alibaba wächst langsamer

Selbst der chinesische Amazon-Mitbewerber Alibaba wächst nach dem Rekord-Börsengang in den USA so langsam wie seit mehr als drei Jahren nicht mehr. Der Umsatz legte im ersten Quartal (bis Ende Juni) um 28 Prozent auf 3,27 Mrd. Dollar (drei Milliarden Euro) zu, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Damit wurden die Analystenerwartungen verfehlt. Der Nettogewinn kletterte um 30 Prozent auf 1,5 Milliarden Dollar.

Nach den jüngsten Konjunkturdaten hat die chinesische Zentralbank die Landeswährung Yuan zunächst am Dienstag mit fast zwei Prozent so kräftig abgewertet wie noch nie. Am Mittwoch wurde dann der Mittelwert des Währungskurses noch niedriger festgelegt. Der Yuan fiel daraufhin auf ein Vierjahrestief. An den Märkten sorgt die Furcht vor einer Abkühlung der chinesischen Wirtschaft für heftige Verluste. Der Dax rutschte zwischenzeitlich unter die Marke von 11.000 Punkten.

(APA/Reuters)

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