Air Berlin rutscht tief in Verlustzone

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Die zweitgrößte deutsche Airline ist vom Turnaround weiter entfernt denn je. Konzernchef Stefan Pichler hält an seinem Ziel fest: 2016 soll der Sprung in die schwarzen Zahlen gelingen.

Berlin. Stefan Pichler ist ein Mann, der Klartext spricht. „Wir haben nur einen Schuss“, sagte der Chef der deutschen Fluglinie Air Berlin im Frühjahr bei einem Besuch in Wien. Was er damit meinte? Sollte er es heuer nicht schaffen, das Steuer bei der schwer angeschlagenen Airline herumzureißen, dann würde es eng werden. Pichler sprach von einer Ergebnisverbesserung von 300 Mio. Euro. Was als Sisyphusarbeit erscheint, angesichts des katastrophalen Halbjahresergebnisses.

Denn die Mutter der österreichischen Airline Niki ist noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht: Bei einem Umsatzrückgang von 1,9 auf 1,86 Mrd. Euro fiel das Konzernergebnis von minus 201,2 auf 247,6 Mio. Euro. Was aber noch schwerer wiegt: Das Eigenkapital, das schon zu Jahresende 2014 mit minus 415,6 Mio. Euro im negativen Bereich lag, verschlechterte sich erneut auf minus 575,3 Mio. Euro. Die Schulden liegen bei 770 Mio. Euro. Auch das billige Kerosin half Air Berlin kaum. Die Vorteile seien durch Preissicherungsgeschäfte und den starken US-Dollar wieder aufgehoben worden, hieß es.

Damit fliegt Air Berlin nur mehr mit dem Wohlwollen der Behörden, da den europäischen Vorschriften zufolge eine europäische Fluggesellschaft zumindest acht Prozent Eigenkapital aufweisen muss. Es sind die immer wieder versprochenen Verbesserungen, die in diesem Fall zählen. Auch jetzt machte Pichler, der das Unternehmen seit Februar führt, Hoffnung auf eine Besserung in der zweiten Jahreshälfte.

Aktie schmiert ab

Die Investoren teilten diesen Optimismus des Konzernchefs aber gar nicht. Im nachbörslichen Handel sackten die Air-Berlin-Titel schon am Mittwochabend (nach Bekanntgabe der Ergebnisse) um mehr als sechs Prozent ab. Am Donnerstag tendierte die Aktie mit mehr als drei Prozent im Minus. Pichler ist nun schon der dritte Chef, der die zweitgrößte deutsche Fluglinie mit 9100 Mitarbeitern zu sanieren versucht. In den vergangenen sieben Geschäftsjahren flog die Gesellschaft nur ein Mal einen Konzerngewinn ein. Allein seit 2011 summieren die Verluste sich auf mehr als eine Mrd. Euro. Bei Air Berlin krankt es nicht so sehr am operativen Geschäft, vielmehr belastet der frühere ungebremste Expansionskurs die Gesellschaft. Gründer Joachim Hunold kaufte binnen kürzester Zeit einige marode Airlines auf, unter anderem DBA und LTU.

Die Lufthansa-Rivalin hält sich dank millionenschwerer Finanzspritzen ihrer arabischen Großaktionärin, Etihad, in der Luft. Die Golf-Airline kaufte 2011 knapp 30 Prozent der Aktien und schoss bisher 800 Mio. Euro ein. Damit sei Schluss, ließ Pichler mehrfach wissen. Auch am Donnerstag betonte er, dass man mit Etihad über keine Kapitalmaßnahmen diskutiere.

Pichler hat ein weiteres Sanierungsprogramm aufgelegt, das im ersten Halbjahr einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag gekostet hat. Damit soll operativ 2016 der Sprung in die schwarzen Zahlen gelingen. In einer ersten Phase wurden die Führungsstruktur und die Managementprozesse neu ausgerichtet. Etliche Positionen wurden neu besetzt.

Jetzt geht es um einen Umbau des Geschäftsmodells. Dazu gehört auch eine Überprüfung – und wahrscheinliche Neuausrichtung – des Netzwerkes. Diese soll bis September abgeschlossen sein, hieß es am Donnerstag in einer Investorenpräsentation. Bis zum ersten Quartal 2016 geht es um die „Neuausrichtung“ der Kostenstruktur. Damit verbunden: Ein Rückzug aus nicht strategischen Märkten. Im Klartext: Die Schrumpfung, die schon Pichlers Vorgänger, Wolfgang Prock-Schauer, angegangen hat, geht weiter. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2015)

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