Gewinnrückgang: Zalando kämpft mit Betrügern

Kriminelle hätten den gelockerten Umgang mit der Bonität von Kunden ausgenützt, heißt es beim Onlinehändler. Das führte zu weniger Gewinn im zweiten Quartal.

Berlin. „Ich möchte betonen, dass Zalando-Kunden nicht pauschal eine schlechte Zahlungsmoral haben“, versucht sich Zalando-Sprecherin Nadine Przybilski gleich einmal in Schadensbegrenzung. Aber: Zalando habe es im zweiten Quartal mit einer großen Anzahl von systematischen Betrugsfällen zu tun gehabt, die trotz guten Umsatzwachstums an den Margen geknabbert haben. Der Gewinn nach Steuern und Abschreibungen fiel im zweiten Quartal 2015 (April bis Juni) auf 30 von 35 Mio. Euro im Vorjahreszeitraum.

Wie konnte das auf einmal passieren? Die Antwort liegt in der Handhabung der Zahlungsmodalitäten und den damit zusammenhängenden Überprüfungen der Kreditwürdigkeit von Onlinekunden. An sich stehen den Kunden im Onlinehandel mehrere Zahlungsarten zur Verfügung – Zahlung per Kreditkarte, per Vorkasse, per PayPal oder auf Rechnung. Doch das gilt nicht für alle. Wenn der Bestellvorgang in Gang gesetzt wird, überprüft ein Algorithmus automatisch die Bonität des Kunden. Dafür greift er auf die Datenbanken von Wirtschaftsauskunfteien zurück, die nicht nur die Identität des Kunden prüfen – sondern auch dessen Zahlungsmoral. Hatte ein Kunde bei einem Onlinekauf mit einem Inkassobüro zu tun, dann wird das vermerkt. Der Algorithmus des Onlinehändlers zieht dann „selbstständig“ seine Schlüsse aus diesen Informationen und verwehrt dem Kunden eventuell die Zahlung auf Rechnung.

Es ist eine Gratwanderung, wie strikt Onlinehändler diese Überprüfungen handhaben. Denn wenn dem Kunden seine favorisierte Zahlungsart nicht zur Verfügung steht, passiert es nicht selten, dass er den Kauf abbricht. „Deshalb haben wir in der vergangenen Zeit den Schutzmechanismus etwas gelockert“, sagt Przybilski. Dadurch habe es Zalando geschafft, „mehr Neukunden zu gewinnen und Altkunden zu reaktivieren“.

Das habe sich positiv auf den Umsatz ausgewirkt: Im zweiten Quartal kletterten die Erlöse um 34,1 Prozent auf 733 Mio. Euro. Der Gewinn wurde aber durch die Wertberichtigungen wegen nicht getätigter Zahlungen geschmälert. Unter Einbeziehung weiter zurückliegender Perioden sei ein zusätzlicher Wertminderungsbedarf in Höhe von 18,5 Mio. Euro entstanden.

Kriminelle bestellen auf Rechnung

Laut der auf Onlinehandel spezialisierten Wirtschaftsauskunftei CRIF treten bei 0,5 Prozent der abgefragten Kunden Inkassofälle auf. Wenn ein Unternehmen aber eine besonders aggressive Wachstumsstrategie verfolge und ein offensives Risikomanagement habe – wie Zalando –, könnte diese Zahl auch höher sein. Neben den ganz normalen Inkassofällen gibt es auch den gezielten Betrug, den Zalando hauptverantwortlich für den Gewinnrückgang macht. „Es gibt betrügerische Identitäten, hinter denen eine kriminelle Bande steckt, die meist im großen Stil per Rechnung bestellt und nicht bezahlt“, sagt Boris Recsey, Geschäftsführer von CRIF Österreich. Dabei handle es sich zwar um einen verschwindend geringen Prozentsatz. „Der Einzelfall ist aber sehr hart, weil es sich um hohe Beträge handelt.“

Trotz dieser unerfreulichen Vorfälle hat sich Zalando im ersten Halbjahr 2015 gut entwickelt. Der Umsatz kletterte auf 1,38 Mrd. Euro (von 1,047 im ersten Halbjahr 2014) nach oben. Und auch der Gewinn (Ebit) hat sich dank eines starken ersten Quartals 2015 auf 59,2 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht. Für das Gesamtjahr 2015 rechnet Zalando nun mit einem Umsatzplus zwischen 28 und 31 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2015)

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