Studie: Die Deutschen werden immer ärmer

(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
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Das deutsche Privatvermögen ist von 2003 bis 2013 um 15 Prozent geschrumpft, sagt das DIW. Die Gründe: sinkende Immobilienwerte, zu vorsichtige Veranlagung und die Alterung.

Wien/Berlin. Die Deutschen gelten als besonders eifrige Sparer. Ihre Sparquote liegt konstant hoch, bei über neun Prozent. Es geht ihnen gut, mit der Wirtschaft wachsen die Einkommen. Da möchte man doch annehmen, dass fast zwangsläufig auch das private Vermögen zunimmt. Stimmt aber nicht, verkündet nun das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der überraschende Befund der größten ökonomischen Forschungsstätte des Landes: Das reale, also inflationsbereinigte Nettovermögen der privaten Haushalte ist von 2003 bis 2013 um 15 Prozent geschrumpft.

Der durchschnittliche Haushalt hat gut 20.000 Euro weniger. Das Ergebnis verblüfft auch ökonomisch Versierte. Denn aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist es nicht abzulesen: Sie weist für den Zeitraum ein Plus von 20 Prozent aus. Was stimmt nun? Unser Wert, behaupten die DIW-Autoren selbstbewusst. Denn der wichtigste Posten bei den privaten Vermögen sind die Immobilien. Und ein Haus wird in der Gesamtrechnung mit seinem Wiederbeschaffungswert angesetzt, der eine eher lebensferne Größe ist. Man geht dabei von Kosten aus, zu denen man es heute bauen könnte, nimmt eine Nutzungsdauer an und zieht die Abschreibung für Abnutzung ab. Dieser kalkulatorische Wert hilft dem Besitzer aber wenig, wenn er seine Wohnstätte verkaufen will oder muss und dafür einen viel niedrigeren Preis erzielt.

In den Datenquellen der Studie werden Immobilien mit dem Marktwert angesetzt. Die Hauspreise sind in Deutschland – nach einem Boom Anfang der Neunzigerjahre – seit 1995 stetig gesunken. Erst in den letzten drei Jahren, die nicht mehr einfließen, dreht sich der Wind. Aber nur leicht. Zwar sind die Medien voll mit Berichten über dramatisch steigende Preise in beliebten Ballungszentren wie München oder Berlin. Aber über die ganze Fläche fällt auch das jüngste Plus mit im Schnitt real 1,7 Prozent pro Jahr nur mäßig aus.

Das Geldvermögen macht den Verlust nicht wett. Denn die Deutschen sind – erst recht seit der Finanzkrise – vorsichtige Anleger. Sie vertrauen auf Sparbücher, Bausparen, geförderte Zukunftsvorsorge. Da schaut – zumal seit der Niedrigzinspolitik der EZB – oft kaum die Inflationsrate heraus. Der reale Wert sinkt. Besonders stark bei Bargeld und Sichteinlagen, wovon sie aktuell 1,5 Billionen Euro horten. Auch die Alterung der Gesellschaft spielt hier mit. Der Anteil der Pensionisten steigt. Sie sind bei der Anlage besonders konservativ. Viele genießen auch ihren Lebensabend und bauen aufgebautes Vermögen durch Konsum wieder ab.

Auch Reiche legen nicht zu

Die Studie gehört zu einem Forschungsprojekt zur Vermögensverteilung, das die Hans-Böckler-Stiftung finanziert. Gut möglich, dass der Gewerkschaftsbund, dem diese gehört, auch etwas über größere Ungleichheit hören wollte. Das DIW greift auf Umfragen zurück. Die sehr hohen Vermögen der sehr wenigen Superreichen fließen da wenig oder gar nicht ein. In der Gesamtrechnung sind sie aber drin. Wenn nur die Reichsten sehr viel dazugewinnen, würde auch das die Diskrepanz der Daten erklären.

Aber die DIW-Autoren machen der Gewerkschaft nicht die Freude, diesen Schluss zu ziehen. Stattdessen greifen sie auf die Liste der 300 vermögendsten Deutschen im „Manager Magazin“ zurück. In zwei der drei betrachteten Jahre, 2007 und 2012, lassen sich die Daten gut vergleichen. Und siehe da: Die Superreichen sind auch nicht reicher geworden, was wohl an der Finanzkrise lag. Womöglich haben sie davor massiv zugelegt? 2002 war das Ranking erst im Aufbau, weshalb das DIW die Finger davon ließ. Ganz ist der Verdacht der „klaffenden Schere“ also nicht ausgeräumt. Aber die verschiedenen Wertansätze bei Immobilien erklären die Diskrepanz zur Gesamtrechnung schon „zu einem großen Teil“, wie Studienleiter Markus Grabka der „Presse“ bestätigt.

Das Ergebnis passt auch zu anderen Erkenntnissen jüngerer Zeit: Dass die Deutschen im Vergleich zu Südeuropäern relativ wenig Vermögen haben (weil sie meist zur Miete wohnen). Und dass sie, wie der Ökonom Hans-Werner Sinn oft betont, ihr Auslandsvermögen denkbar schlecht in Südeuropa angelegt haben. Vielleicht fehlte ihnen ja zuletzt wirklich, bei aller Freude am Sparen, das Glück und Geschick zum Vermögensaufbau.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2015)

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